Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
verunsichert hatte, durfte er Seths Gerissenheit nicht unterschätzen. Seth schwieg noch immer.
Aarons Hände schnellten vor und packten den Nephilim am Revers. «Du weißt ganz genau, dass Seraphiel ausgebrochen ist. Der Verkünder opfert Nephilim-Seelen für Luzifers Hilfe. Nur ein Wort von mir und du bist vielleicht der Nächste. Gestern Nacht gab es über hundert Opfer, auch Mischwesen. Und es werden noch weitere folgen. So wie Cynthia.»
«Cynthia?»
«Sie hat es erwischt.»
Seths Augen weiteten sich, Entsetzen spiegelte sich in seinem Blick. Die Überraschung war nicht gespielt, so gut konnte sich keiner verstellen.
«Das habe ich nicht gewusst», stammelte er und in seinen Augen schimmerte es feucht.
Zum ersten Mal zeigte der Nephilim Gefühle. Vor der Sache mit Tessa und Nathanael war er ein oft gesehener Gast in der Hell’s Bar gewesen und hatte sich ausgesprochen gut mit der Prophetin verstanden. Aaron und die anderen hatten damals sogar geglaubt, dass aus ihnen ein Paar hätte werden können.
Aaron berichtete knapp von den Geschehnissen in New Jersey. «Ich weiß, dass Cynthia dir etwas bedeutet hat. Soll ihr Tod ungesühnt bleiben? Bricht eine neue Rebellion unter den Engeln aus, sind wir alle Verlierer. Luzifer und seinem Gefolge ist es egal, ob du mit ihnen einen Deal hattest. Ich muss Seraphiel aufhalten, und zwar schnell. Doch dazu brauche ich wichtige Informationen, die du mir geben kannst. Kapiert?»
Schweigen senkte sich über sie. Hinter seiner gerunzelten Stirn schien es zu arbeiten. Seth nickte.
«Okay, aber lass uns woanders hinfahren, wo uns niemand belauschen kann», gab er nach.
«Abgemacht.»
Seth trat aufs Gaspedal, und der Wagen fuhr die steile Straße hinab. Der Nephilim steuerte den Parkplatz am Bower Viewpoint an, neben der Golden Gate Bridge. Wegen des Sturmes würde sich niemand so schnell hierher verirren.
Das Meer war aufgewühlt. Der Geruch von Salz und Fisch wehte zu ihnen herüber. Eine Schar Möwen segelte über der Bucht. Seth stellte den Motor aus und fingerte aus seiner Hemdtasche Zigarettenschachtel und Feuerzeug.
«Was dagegen?», fragte er und zog mit zitternden Fingern eine Zigarette heraus.
Aaron schüttelte den Kopf und kurbelte das Fenster herunter. Seth zündete sich eine an und zog gierig daran.
«Also, was willst du wissen?», fragte er gelassener und blies den Rauch aus.
«Was weißt du über den Brandanschlag vergangene Nacht?»
«Nicht mehr als ihr. Die Sekte hat sich richtig abgeschottet.»
«Sicher weißt du auch vom Mord an Kardinal Rossi. Seine Nichte, die zu den Apokalyptikern gehört, hat ihm etwas gestohlen, das ich dringend haben muss. Das Exsolutio.»
«Das Buch der Erleuchteten?»
Aaron war nicht entgangen, wie Seth zusammengezuckt war. Er hasste es, dem Nephilim jedes Wort aus der Nase ziehen zu müssen.
«Du weißt doch was über den Verbleib des Buches. Mach mir nichts vor.»
Seth schüttelte den Kopf. «Nein, aber vor einiger Zeit hat jemand im Internet danach gesucht.»
Aaron ruckte herum. Wer außer dem Verkünder könnte noch ein Interesse daran haben? Ariel?
«Wer? Wann?»
«Ich weiß nicht mehr genau, liegt schon eine Zeit zurück.»
Obwohl Seth sich ahnungslos stellte, verriet das wachsame Aufblitzen in seinen Augen, dass er ihm etwas verheimlichte.
«Jetzt lügst du schon wieder.» Aaron sog scharf die Luft ein. «Ich warne dich, Seth.»
«Schon gut. Eine Frau bat mich, es für sie zu finden, und zahlte mir im Voraus eine hohe Summe.»
Die Aussage, dass es sich um eine Frau handelte, erstaunte Aaron. Er packte Seth an der Schulter.
«Wie war ihr Name?»
«Ich habe geschworen zu schweigen.»
«Verdammt, Schluss damit!», fuhr Aaron Seth an und beugte sich so weit zu ihm vor, dass er jede Pore im blassen Gesicht des Nephilims erkennen konnte.
«Ihr Name war Clancy.»
Aaron erstarrte. «Sagtest du eben Clancy?»
Sollte Rebecca ihm die ganze Zeit etwas verheimlicht haben? Stand dieses Geheimnis zwischen ihnen?
Seth nickte. «Ja, Clancy.»
« Rebecca Clancy?»
Aarons Magen krampfte sich vor Anspannung zusammen. Clancy war ein seltener Name. Sollte er sich so in ihr getäuscht haben?
«Victoria Clancy. Kennst du sie?»
Es konnte sich nur um ihre Mutter handeln. Aaron fiel ein Stein vom Herzen. Dennoch strichen andere beunruhigende Gedanken durch sein Hirn. Wusste Rebecca von der Existenz und der Bedeutung des Buches? Warum hatte ihre Mutter danach gesucht? Waren sie und ihr Mann gestorben, weil sie zu viel
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