Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
weil sich Julia und Joshua geirrt hatten. Fassungslos lauschte Rebecca weiter der Unterhaltung. Wie leichtfertig die beiden über Leben sprachen. Von Joshua hatte sie nichts anderes erwartet, aber dass sie sich derart in Ruth getäuscht hatte, erschütterte sie. Aber was wusste sie denn schon von ihr?
«Du aber auch. Lässt dich noch erwischen! Wäre Ariel nicht gewesen, hätte der Blutengel dir die Kehle durchgeschnitten. Wenn du nur halb so viel Mut und Kraft in dir hättest wie Rachel …»
Ruth betrachtete ihren Sohn abweisend.
Joshuas Mundwinkel zogen sich nach unten, dann stieß er seine Mutter von sich. «Ich hätte ihn allein besiegt!»
Siegesgewiss ballte er die Faust.
«Idiot! Aaron ist dir haushoch überlegen. Du? Du könntest keinen Blutengel besiegen.»
Joshuas Miene erstarrte für einen kurzen Moment, dann lächelte er höhnisch. «Ich habe ihn längst erledigt, als ich ihn in dieses Haus gelockt habe. Sein Körper brennt bereits wie eine Fackel. Ich war es, der ihn vernichtet hat. Ich ganz allein!»
Er schlug sich mit der Faust auf die Brust. Rebecca horchte auf. Joshua hatte Aaron in irgendein Haus gelockt?
Aaron tot?
Ihr Herz setzte einen Moment aus. Sie presste eine Hand gegen den Mund, um nicht aufzuschreien. Nicht Aaron. Auf keinen Fall war er tot, im Gegenteil, stark, viel stärker als alles, was sie kannte. Und wenn doch?
Ihr wurde übel und ihre Knie gaben nach. Sie stand kurz vor einem Zusammenbruch. Nein! Nein! , antwortete eine Stimme in ihr.
«Du lügst, er ist nicht tot. Ich spüre es!», rief Ruth, während ihre Faust auf die Tischplatte niedersauste.
«Dann musst du dich dieses Mal irren, Mutter. Ich habe ihn selbst in das brennende Waisenhaus laufen sehen, in dem Seraphiel ihn erwartet. Er kann dem Feuer niemals entkommen, das der Feuerengel gelegt hat.»
Rebecca wollte sofort loslaufen und nach San Francisco zurückfahren. Diese Ungewissheit konnte sie nicht länger ertragen. Doch irgendetwas hielt sie zurück.
«Du bist ein Versager! Ariels Erziehung hat nichts gefruchtet. Er hätte dich niemals mit Feuer taufen dürfen.»
Als Ruth von einer Feuertaufe sprach, kehrte das letzte fehlende Stück Erinnerung zurück, als hätte sich ein gordischer Knoten gelöst. Rebecca begann zu zittern. Alles sah sie jetzt wieder vor sich – den Hof, aus dem Ariel sie entführt hatte. Das Feuer, um sie zu brandmarken – zu taufen, wie sie es nannten. Ruths Hand auf ihrer Stirn, um ihr die Erinnerung zu nehmen.
«Bring sie nach Rom, Ariel», hörte sie ihre Mutter sagen, als wäre es erst gestern gewesen.
Über ihnen kreisten riesige Schwingen. Dann war sie Ariel davongerannt direkt in die Arme einer Frau. Sie konnte sich noch sehr gut an ihr Gesicht erinnern und den gütigen Ausdruck darin. Rosie war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.
Nicht Ruth, sondern Aarons Mutter hatte sie schließlich zu den Clancys gebracht, die ihr einziges Kind kurz zuvor verloren hatten. Ihr Leben als Rebecca war das Leben einer Fremden und im Laufe der Jahre hatte sie selbst an diese Identität geglaubt. Ihre Adoptiveltern waren von Ort zu Ort gezogen, stets auf der Flucht vor der Vergangenheit. Aarons und Rosies Mutter war ihretwegen gestorben.
Tränen stiegen in ihre Augen. Die Stille war beklemmend. Rebecca fuhr zusammen, als Ruth schrie, und wirbelte herum. Sie sah wie ihr Bruder ihre Mutter an den Schultern gefasst hatte und sich mit geöffnetem Mund zu ihr beugte.
«Jetzt reicht es mir, Mutter», sagte Joshua gepresst.
Verächtlich zogen sich seine Mundwinkel nach unten. Hass sprühte aus seinen Augen. Ein Hass, der Rebecca fremd war. Er öffnete den Mund. Flammen schossen zwischen seinen Lippen hervor direkt in Ruths Gesicht.
Nur mühsam konnte Rebecca bei diesem Anblick einen Aufschrei unterdrücken. Flammen fraßen sich durch Ruths Haut und in ihr Fleisch. Die Heilerin schrie und warf sich auf den Boden. Sie wand sich und flehte um Gnade.
Gleichgültig wie ihre Mutter war, aber sie blieb ihre Mutter. Rebecca konnte nicht tatenlos zusehen, wie Joshua sie tötete. Ohne weiter nachzudenken, stürmte sie ins Zimmer. Ruths Gesicht war so verunstaltet, dass selbst Rebecca Mühe hatte, darin noch menschliche Züge zu erkennen.
Jeder andere hätte sich vermutlich bei dem grauenvollen Anblick abgewandt. Aus Ruths Kehle drang nur noch ein Wimmern, ihre Knie knickten ein und die Arme hingen schlaff herunter. Joshua wandte abrupt den Kopf und musterte sie feindselig. Rebecca erschrak über
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