Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
aber Joel fasste seinen Arm und schüttelte den Kopf. «Noch nicht. Cynthia steht zu dicht neben ihm und wir sind zu weit entfernt», schickte ihm der Freund die mentale Botschaft. Aaron ließ den Arm wieder sinken.
«Meine Brüder», sagte der Verkünder, «ihr werdet doch dieser Prophetin nicht glauben?»
Er schüttelte den Kopf, ein boshaftes Lächeln umspielte seine Lippen. Cynthia stemmte die Hände in die Hüften und sah den Redner herausfordernd an.
«Hat mein Herr euch nicht reichlich beschenkt?», wollte der Verkünder wissen.
Wieder folgte ein Raunen. Aaron fragte sich, mit welchen Versprechungen er die Nephilim köderte.
«Erinnert ihr euch noch an die letzte Prophetin? Sie hat euch mit ihren angeblichen Prophezeiungen in den Tod geschickt. Habt ihr das vergessen?» Seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter. Er zeigte auf Cynthia.
Aaron spürte ihre wachsende Anspannung.
«Der Verkünder hat Recht. Was erzählst du uns da, Prophetin? Das sind doch auch alles nur wieder Lügen, die wir mit dem Tod bezahlen! Oder hast du die Brände vergessen, das Feuer, das viele von uns tötete?»
Einer der Zuhörer trat vor und hob drohend die Faust. Der Verkünder lächelte triumphierend.
«Was in der Vergangenheit gewesen ist, kann ich nicht ungeschehen machen. Meine Seele möge verdammt sein, wenn ich euch anlüge!», rief Cynthia und legte ihre rechte Hand auf die Brust.
Doch dem Verkünder war es längst gelungen, die Gemüter aufzuwiegeln. «Lügnerin!» Die wütenden Stimmen wurden immer lauter.
«Bitte, so hört mir doch zu!», versuchte Cynthia vergeblich die lauter werdenden Stimmen zu übertönen.
Aaron spürte die wachsende Aggression unter den Anwesenden und befürchtete das Schlimmste. Er und Joel schoben sich durch die Reihen der Nephilim vor, bereit die Schwerter zu ziehen.
Cynthia streckte die Arme nach vorn, um ihre Zuhörer zu beschwichtigen. «Bitte, vertraut mir! Ich spreche die Wahrheit! Kehrt um, bevor es zu spät ist!»
Im selben Augenblick sprang der Verkünder zu ihr auf die Bühne, riss an ihren Haaren und entblößte die Narbe, die ihre linke Gesichtshälfte entstellte. «Seht her! Sie ist eine Geächtete! Wollt ihr einer Geächteten glauben?», schrie er.
Die anwesenden Nephilim erkannten sofort, dass die Narbe von Engelsfeuer stammte. Nur Verräter wurden so gebrandmarkt. Aaron kannte Cynthias Geschichte. Sie hatte ihren Vater an den Erzengel Gabriel verraten, um ihr eigenes Leben zu retten. Das war der größte Frevel, den ein Nephilim begehen konnte. Für ihren Verrat war sie gezeichnet worden.
«Ja, sie ist eine Geächtete! Wir können ihr nicht glauben!», schrie einer und deutete auf ihr Gesicht.
Aaron winkte Joel zu. Sie mussten Cynthia so schnell wie möglich aus diesem Hexenkessel herausholen, bevor sich die aufgebrachte Meute auf sie stürzte. Sie traten zurück und zogen lautlos ihre Schwerter aus den Scheiden. Die Klingen blitzten im Halbdunkel auf, aber das ging im Tumult völlig unter.
«Ergreift die Lügnerin!»
Der Verkünder verschwand im Mob. Aaron stieß einen Fluch aus. Einerseits wollte er dem falschen Propheten hinterher setzen, andererseits befand sich Cynthias Leben in Gefahr. Die Entscheidung wurde ihm im nächsten Moment abgenommen, als ein Bulle von Kerl an die Bühne trat und Cynthia gewaltsam herunterzerren wollte. Wie Raubtiere lauerten die Nephilim davor, bereit sich auf ihr Opfer zu stürzen.
Cynthia schlug und trat um sich, bis sie sich schließlich befreien konnte. «Hört auf! Ich bin keine Lügnerin!», verteidigte sie sich. «Ich habe in meinen Visionen gesehen, was Luzifer mit euch vorhat. Ihr alle werdet seine Höllenfackeln.»
Ihre letzten Worte gingen in den Rufen unter. Cynthias Brustkorb hob und senkte sich in schnellem Rhythmus. Sie drehte sich um und wollte fortlaufen, doch der bullige Kerl vor der Bühne packte sie an den Beinen und brachte sie zu Fall. Aber es gelang ihr, sich erneut seinem Griff zu entwinden und aufzurappeln.
Das Brennen an Aarons Hals wurde unerträglich, während er sich vorankämpfte. Der Mantelkragen rieb zusätzlich daran. Er spürte das Vibrieren seines Schwertes in der Hand. Die Stimmung stand kurz vor der Explosion. Schon ging die wild gewordene Horde aufeinander los. Aarons Blick suchte nach Cynthia, die in Panik nach rechts ausbrach, um vor dem Mann zu fliehen.
«Ich hole sie da raus. Sichere den Ausgang, ich will diesen Verkünder haben. Niemand darf raus», wies er Joel an, der sich sofort
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