Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
zu deponieren. Auf Zehenspitzen trat er wenig später hinaus auf den Korridor und eilte zu seinem Zimmer.
Vor seiner Zimmertür begann sein Handy in der Hosentasche zu vibrieren. Rosie leuchtete im Display.
«Aaron?» Seine Schwester klang angespannt.
«Hi, Rosie, was gibt’s? Hat dich einer der Lieferanten versetzt?», scherzte er.
Doch Rosie ging auf seinen Scherz nicht ein. «Nein, da läuft alles glatt …»
«Daran habe ich nie gezweifelt.»
Stille am anderen Ende. Etwas schien sie zu bedrücken. «Rosie, was ist los? »
«Ich habe lange überlegt, ob ich dir davon erzählen sollte …»
«Nun sag schon, ich reiß dir den Kopf nicht ab.»
«Ich … ich habe mit Rebecca telefoniert.»
Aaron erstarrte augenblicklich. Er schloss die Augen und sah ihr Gesicht wieder vor sich. Rebecca! Es verging keine Stunde, in der er nicht an sie dachte. Dank Rosie wurde ihm wieder schmerzlich bewusst, wie sehr er sie vermisste. Ihre Nähe, ihr Lachen, ihre Ausstrahlung. Er schluckte den bitteren Geschmack im Mund hinunter.
«Und?», fragte er heiser, bemüht zu verbergen, wie begierig er war, mehr über sie zu erfahren. Wie es ihr wohl ging? Bestimmt besser als ihm. Wollte er das überhaupt hören? Und wie er das wollte. Hoffte er nicht insgeheim von Rosie zu erfahren, dass sie ihn genauso schmerzlich vermisste?
«Sie wollte nicht, dass ich dir davon erzähle. Aaron, ich komme mir wie eine Verräterin vor, aber ich mache mir große Sorgen um sie.»
Rosie verhaspelte sich vor Aufregung bei jedem zweiten Wort. Sie mochte Rebecca genauso wie er. Nein, er mochte sie nicht nur, sondern hatte sich in sie verliebt – und war krank vor Sehnsucht nach ihr.
«Du meinst es ja nur gut. Also was ist los?»
Ihm wurde flau im Magen. Hoffentlich war sie nicht erneut in Gefahr geraten.
«Sie ist Ariel begegnet. Er wollte sie zwingen …»
«Ariel?» Dieser verfluchte Renegat. Wut stieg in ihm auf und ballte sich in seinem Magen zu einem Klumpen zusammen. Wenn er ihn doch nur neulich hätte erledigen können.
«Wo?», rief er ins Handy.
«In San Francisco.»
Aaron stieß einen derben Fluch aus. Der Gründer der Apokalyptiker stammte aus San Francisco. Anscheinend lebte die Sekte an ihrem Ursprungsort wieder auf. Rebecca war in Gefahr und er saß in Rom wegen seiner Mission fest. Für einen Moment erwog er, sofort aufzubrechen und in die Staaten zu reisen. Hier geht es nicht um deine persönlichen Gefühle, sondern um die Menschen, denen gegenüber du eine besondere Verantwortung besitzt , ermahnte ihn sein Gewissen.
«Ich habe sie gebeten, sich mit Alegra zu treffen. Aber Rebecca war so komisch und hörte sich an, als wollte sie meinem Rat nicht folgen. Da stimmt was nicht.»
«Wie meinst du das?»
Die Angst um Rebecca ließ ihn fast durchdrehen. Sie wäre Ariel und den Apokalyptikern hilflos ausgeliefert. Sein Pflichtgefühl und der Wunsch ihr zu Hilfe zu eilen, stürzten ihn in einen Zwiespalt. Wenn er ihr hinterherreiste, gefährdete er seine Mission, und das konnte er nicht verantworten, weder vor seinem Vater und erst recht nicht vor seinem Gewissen. Andererseits hatte er das starke Verlangen sie zu beschützen.
«Schwer zu erklären. Ich hatte den Eindruck, sie wollte das Telefonat mit mir schnellstmöglich beenden. Und von dir wollte sie gar nichts wissen. Das ist nicht die Rebecca, die ich in Manhattan kennengelernt habe. Was sollen wir jetzt machen?»
«Ich habe keine Ahnung. Ich kann hier nicht weg. Kardinal Rossi wurde ermordet. Umso dringender wird es, dass ich den Verräter finde.»
«Aaron, ich verstehe dich ja, aber du kannst Rebecca doch nicht ihrem Schicksal überlassen.»
Rosie sprach seine Bedenken aus. Er schnaubte. «Aber meine Mission …»
«Und ich dachte, du hättest was für sie übrig.»
Rosie verstand es in seiner Wunde zu bohren.
«Meine Mission steht über allem.» Selbst wenn es ihn noch so sehr verlangte, nach San Francisco zu reisen.
«Deine Mission. Und was ist mit deinem Herz?»
«Meine Gefühle sind jetzt nicht wichtig.»
«Hoffentlich wirst du das nicht eines Tages bereuen.»
«Es ist mein Leben, meine Bestimmung, da gibt es nichts zu bereuen», antwortete er mit fester Stimme, obwohl ihm das noch nie so schwergefallen war wie jetzt. Reue war etwas, was es in seinem Leben nicht geben durfte.
«Ich sende dir ihre Telefonnummer, falls du es dir anders überlegst.»
Bevor Aaron protestieren konnte, hatte Rosie aufgelegt. Aufgewühlt wanderte Aaron eine Weile im Zimmer auf und
Weitere Kostenlose Bücher