Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
das nicht zu bewältigen. Ich genehmigte mir ein Glas Whisky auf den Schreck, spielte ein Lied auf der Ziehharmonika, und schon war die Geschichte vergessen.
Erst am nächsten Morgen, ich zog gerade meine Ski an der Talstation der Albonabahn an, interessierte man sich wieder für den nächtlichen Vorfall: »Sag, Willi, wo hat es denn heute Nacht gebrannt?« Ich grinste. »Das erzähle ich dir besser nicht!« Eine weitere Erklärung war nicht notwendig, denn man kannte den Charles Bronson vom Arlberg und seine Eskapaden.
Trotz ungesundem Lebenswandel war ich extrem sportlich und topfit. Alles andere kann sich ein Skilehrer nicht erlauben, denn schließlich tragen wir auch Verantwortung für unsere Schüler. Natürlich soll der Skiurlaub eine große Gaudi sein, die Leute wollen sich erholen und amüsieren, aber manchmal landet auch mal einer auf der Nase, und dann muss man entsprechend vernünftig und schnell reagieren. Mein Einsatz kannte auch in Notsituationen keine Grenzen, meine Gäste waren bei mir in guten Händen:
Abschleppdienst
Glückspilz, der ich war, hatte ich mal wieder sechs fortgeschrittene Fahrer (Gruppe 3A) bekommen. Den ganzen Tag hatten wir uns auf den Pisten und in den Hütten vergnügt, nun fuhr ich die letzte Abfahrt von der Albona hinunter in großen Schwüngen vor, und die anderen folgten in der gleichen Linie. Wir waren nicht schnell, sondern kosteten gemütlich den Hang in seiner ganzen Breite in großen Kurven aus. Von Zeit zu Zeit blickte ich zurück und dirigierte ein paar Abtrünnige wieder zurück in Rhythmus und Reihe. Plötzlich hörte ich einen Schrei, blickte mich um und sah eine meiner Damen am Hang liegen. Der Rest der Gruppe fuhr weiter. Ich wartete einen kurzen Moment, in der Hoffnung, sie würde wieder aufstehen, was sie aber leider nicht tat. Diese Stürze bei langsamem Tempo können sehr tückisch sein. Ich rechnete mit einer ernsthaften Verletzung und schickte den Rest der Gruppe an den Pistenrand, wo sie auf mich warten sollten.
Nun musste ich erst einmal einige Meter mit meinen Skiern wieder bergauf laufen, und je näher ich der Dame kam, umso lauter wurde das Gejammer. Mit großer Sorge sah ich, wie vollkommen verdreht ihr rechtes Bein dalag. Irgendetwas mit dem Knie war nicht in Ordnung. Das sah nicht gut aus! Ich wollte ihr aufhelfen, aber sie schrie vor Schmerzen. Ich musste die arme Frau so schnell wie möglich runter ins Tal und zu einem Arzt bringen. Kurzerhand reihte ich die anderen Schüler hinter mich, nahm die Verletzte Huckepack (leider war sie nicht gerade ein Leichtgewicht) und fuhr mit ihr unterhalb der Albona-Mittelstation hinunter nach Stuben.
Die anderen Skifahrer staunten, einige lachten laut, weil sie wohl dachten, »der Willi schleppt mal wieder eine Schülerin ab!« Falsch war das ja nicht. Aber mir war nicht nach Scherzen zumute und der armen Patientin auf meinem Rücken erst recht nicht. Diese Verletzung sollte sich ein Spezialist ansehen, und ich entschied, sie in das Privatsanatorium von Dr. Christian Schenk ins 40 Kilometer entfernte Schruns im Montafon zu bringen, denn in Stuben gab es keinen Arzt. Mit Erleichterung erblickte ich das Dorf, dann sah ich das Ende der Piste. Wir hatten es ohne weitere Schäden geschafft. Auf dem Parkplatz an der Skischule stand mein Wagen, und wir fuhren in Windeseile los. Meine Patientin wimmerte, das Knie war mächtig angeschwollen, und sie brauchte dringend ein Schmerzmittel.
In Schruns angekommen kümmerte sich der Arzt sofort um das kaputte Knie, und ich befand mich immer noch im Ordinationsraum. Das Knie war ausgekugelt, und sein Assistent sollte nun kräftig dagegen halten, damit er das Gelenk mit einem Schlag einrenken konnte. Schon der Anblick des verdrehten Kniegelenks schlug mir auf den Magen. »Ich bin froh, dass ich sie heil auf meinem Rücken ins Tal gebracht habe!« Langsam schlich ich rückwärts Richtung Tür: »Ich muss los.«
»Komm, Willi, warte die paar Minuten«, lachte Christian. Er sah mir an, dass mir bei diesem Anblick fast schlecht wurde, und ich verließ das Behandlungszimmer, auch der König vom Arlberg stieß mal an seine Grenzen. Kurz darauf hörte ich einen grellen Schrei, und der Arzt rief: »Willi du kannst ruhig zurückkommen, das Knie ist schon wieder eingerenkt!«
Im Anekdotenalbum bekam die »Huckepack-Frau« natürlich einen festen Platz, um zu beweisen: Es gab immer einen triftigen Grund, eine Frau abzuschleppen!
In diese Hochphase meines aufregenden Daseins als
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