Ab die Post
ein Notizbuch.
»Wir könnten dir zwanzigtausend Ein-Cent-Marken drucken, gummiert, zwei Dollar pro tausend plus Vorbereitung«, sagte Herr Rolle. »Zehn Cent weniger ohne Gummierung. Natürlich musst du jemanden finden, der sie ausschneidet.«
»Könnte man das nicht mit einer Maschine erledigen?«, fragte Feucht.
»Nein. Das geht nicht, nicht bei so kleinen Maßen. Tut mir Leid, Herr Lipwig.«
Feucht holte einen braunen Zettel hervor und hielt ihn hoch. »Erkennst du das, Herr Rolle?«
»Ist das Nadelpapier?« Herr Rolle strahlte. »Ha, erinnert mich an meine Jugend! Hab noch immer meine alte Sammlung auf dem Dachboden. Dachte mir immer, dass sie vielleicht was wert ist, wenn…«
»Sieh genau hin, Herr Rolle«, sagte Feucht und hielt das Stück Papier in beiden Händen. Stanley platzierte seine Nadeln stets mit großer Sorgfalt – mit einem Mikrometer hätte man es nicht besser hinbekommen.
Das Papier zerriss an der Linie aus Löchern. Feucht sah Herrn Rolle an und wölbte die Brauen.
»Auf die Löcher kommt es an«, sagte Feucht. »Es taugt nichts ohne Löcher…«
Drei Stunden vergingen. Man schickte nach Vorarbeitern. Ernste Männer in Overalls drehten Dinge auf Drehbänken. Andere Männer schweißten Dinge zusammen, probierten sie aus, veränderten sie, bohrten dort etwas aus, demontierten eine kleine Handpresse und bauten sie anders wieder zusammen. Feucht wartete gelangweilt am Rande dieser Aktivitäten, während die ernsten Männer hantierten, Dinge maßen, Dinge neu bauten, bastelten, Dinge herabließen, Dinge anhoben und schließlich, von Feucht und Herrn Rolle beobachtet, die umgebaute Presse ausprobierten…
Tschonk…
Feucht gewann den Eindruck, dass alle so sehr die Luft anhielten, dass sich die Fenster nach innen wölbten. Er beugte sich vor, zog den Bogen mit kleinen perforierten Quadraten von der Platte und hob ihn hoch.
Er löste eine Briefmarke.
Die Fenster kehrten mit einem Ruck in ihre ursprüngliche Position zurück, als die Leute wieder atmeten. Es erklang kein Jubel. Diese Männer juchzten nicht über eine gute Arbeit. Stattdessen zündeten sie Pfeifen an und nickten sich zu.
Herr Rolle und Herr Feucht von Lipwig schüttelten sich über dem perforierten Papier die Hände.
»Das Patent gehört dir, Herr Rolle«, sagte Feucht.
»Du bist sehr freundlich, Herr Lipwig. Oh, hier ist ein kleines Souvenir…«
Ein Lehrling war mit einem Blatt Papier herbeigeeilt. Feucht stellte überrascht fest, dass es bereits voller Briefmarken war – weder gummiert noch perforiert, aber perfekte kleine Kopien der Zeichnung für die Ein-Cent-Marke.
»Ikonodiabolischer Druck, Herr Lipwig!«, sagte Rolle, als er Feuchts Gesicht sah. »Niemand kann behaupten, dass wir rückständig sind! Natürlich sind jetzt noch einige kleine Fehler drin, aber Anfang nächster Woche…«
»Die Ein- und Zwei-Cent-Marken brauche ich morgen, Herr Rolle«, sagte Feucht mit fester Stimme. »Sie müssen nicht perfekt sein, nur schnell.«
»Meine Güte, du hast es verdammt eilig, Herr Lipwig!«, sagte Herr Rolle.
»Man sollte immer schnell sein, Herr Rolle. Man weiß nie, wer hinter einem her ist!«
»Ha! Ja! Äh… gutes Motto, Herr Lipwig. Nicht schlecht«, sagte Herr Rolle und grinste unsicher.
»Und die Fünf-Cent- und Ein-Dollar-Marken brauche ich übermorgen.«
»Du verbrennst dir die Stiefel, Herr Lipwig!«, sagte Rolle.
»Man muss in Bewegung bleiben, Herr Rolle, man muss fliegen!«
Feucht eilte so schnell zum Postamt zurück, wie es der Anstand erlaubte, und er schämte sich ein wenig.
Er mochte Wimmler und Rolle. Er mochte Geschäfte, in denen man mit dem Mann reden konnte, dessen Name über der Tür stand – es bedeutete, dass man es vermutlich nicht mit Gaunern zu tun hatte. Und er mochte die großen, soliden, unerschütterlichen Arbeiter, in denen er all die Dinge erkannte, die ihm fehlten, zum Beispiel Standhaftigkeit, Solidarität und Ehrlichkeit. Eine Drehbank konnte man nicht belügen, einen Hammer nicht beschwindeln. Es waren gute Leute, ganz anders als er…
Und im Gegensatz zu ihm trug vermutlich niemand von ihnen gestohlene Bündel Papier in der Jacke.
Er hätte es nicht tun sollen, er hätte es wirklich nicht tun sollen. Herr Rolle war so ein freundlicher und enthusiastischer Mann, und auf dem Schreibtisch hatten viele Beispiele seiner guten Arbeit gelegen, und mit der Perforierungspresse waren alle so sehr beschäftigt gewesen, dass sie Feucht keine Beachtung geschenkt hatten, und er
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