Ab die Post
war ein traditioneller magischer Begriff, was Feucht allerdings nicht wusste. Es kam zu einem Moment, in dem sich alles streckte und gestreckt fühlte, selbst die Dinge, die dazu nicht imstande waren. Und dann folgte der Moment, in dem alles in den nicht gestreckten Zustand zurückkehrte. Diesen Moment nannte man Tlabber.
Als Feucht wieder die Augen öffnete, wies der Stuhl in die andere Richtung. Von dem Essiggurkenglas, der Zange und der Maus war nichts mehr zu sehen. Dafür bemerkte er einen Eimer mit Hummern, die aus gebackenem Uhrwerk zu bestehen schienen, und eine Box mit einem Sortiment Glasaugen.
Feucht schluckte und brummte: »Schellfisch?«
»Wirklich? Die meisten Leute sagen ›Kabeljau‹«, erwiderte jemand. »Die Geschmäcker sind eben verschieden.« Hände banden Feucht los und halfen ihm auf die Beine. Die Hände gehörten einem Orang-Utan, aber Feucht nahm es kommentarlos hin. Dies war immerhin eine Universität von Zauberern.
Der Mann, der ihn auf den Stuhl gedrückt hatte, stand nun an einem Tisch und blickte auf einen magischen Apparat.
»Gleich ist es so weit«, sagte er. »Jeden Augenblick. Jede Sekunde. Jetzt gleich…«
Ein Bündel aus etwas, das nach Schläuchen aussah, führte vom Tisch zur Wand. Feucht glaubte zu sehen, wie die Schläuche kurz anschwollen, wie eine Schlange, die in aller Eile fraß. Der Apparat stotterte, und ein Zettel fiel aus einem Schlitz.
»Ah… das war’s«, sagte der Zauberer und griff danach. »Das Buch, das du suchst, heißt Geschichte der Hüte, von F. G. Kleinfinger. Habe ich Recht?«
»Nein. Eigentlich suche ich gar kein Buch…«, sagte Feucht.
»Bist du sicher? Wir haben viele.«
Zwei Dinge fielen an diesem Zauberer auf. Das eine war… Großvater Lipwig hatte immer behauptet, man könnte die Ehrlichkeit eines Mannes nach der Größe seiner Ohren beurteilen, und dies war ein sehr ehrlicher Zauberer. Außerdem trug er ganz offensichtlich einen falschen Bart.
»Ich suche einen Zauberer namens Pelc«, sagte Feucht.
Der Bart teilte sich ein wenig und zeigte ein breites Lächeln. »Ich wusste, dass der Apparat funktionieren würde!«, sagte der Zauberer. »Du suchst nach mir.«
Auf dem Schild an der Außenseite der Bürotür stand: Ladislaw Pelc, Dr. m. Phil. prähumer Professor morbider Bibliomantie.
An dem Haken an der Innenseite der Tür hängte der Zauberer seinen Bart auf.
Es war das Büro eines Zauberers, deshalb gehörte ein Totenkopf mit einer Kerze drin ebenso zur Ausstattung wie ein ausgestopftes Krokodil, das von der Decke herabhing. Niemand, am allerwenigsten ein Zauberer, weiß warum, aber solche Dinge scheinen unverzichtbar zu sein.
Es war auch ein Raum voller Bücher und aus Büchern. Richtige Möbel gab es nicht. Der Schreibtisch und die Stühle bestanden aus Büchern. Offenbar wurden viele davon häufig zu Rate gezogen, denn sie lagen offen da, darin andere Bücher, die als Lesezeichen dienten.
»Ich nehme an, du möchtest über das Postamt Bescheid wissen«, sagte Pelc, als Feucht auf einem Stuhl Platz nahm, der aus den Bänden 1 bis 41 von Synonyme für das Wort »Turnschuh« bestand.
»Ja, bitte«, erwiderte er.
»Stimmen? Seltsame Vorkommnisse?«
»Ja!«
»Wie soll ich mich ausdrücken…«, überlegte Pelc. »Worte haben Macht. Das liegt in der Natur unseres Universums. Die Bibliothek verzerrt Zeit und Raum in ziemlich großem Maßstab. Als sich im Postamt die Briefe anzusammeln begannen, speicherte es Worte. Es entstand etwas, das wir Gevaisa nennen, ein Grab lebender Worte. Bist du literarisch bewandert, Herr Lipwig?«
»Nicht sehr.« Bücher waren für Feucht ein Buch mit sieben Siegeln.
»Würdest du ein Buch verbrennen?«, fragte Pelc. »Ein altes Buch, arg mitgenommen, fast ohne Rücken, in einer Kiste mit Plunder?«
»Äh… wahrscheinlich nicht«, sagte Feucht.
»Warum nicht? Weil dir die Vorstellung Unbehagen bereitet?«
»Ja, ich schätze, das ist der Grund. Bücher sind… Man verbrennt sie nicht. Äh… warum trägst du einen falschen Bart? Ich dachte, Zauberer hätten echte Bärte.«
»Es ist nicht obligatorisch, aber wenn man die Universität verlässt, erwarten die Leute einen Bart«, sagte Pelc. »Es ist wie mit den Sternen auf dem Umhang. Außerdem ist ein Bart im Sommer viel zu warm. Wo war ich? Gevaisas, ja. Alle Worte haben etwas Macht. Das spüren wir instinktiv. Manche Worte, wie Zaubersprüche und die wahren Namen der Götter, haben große Macht. Man muss sie mit Respekt behandeln. In
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