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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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wohnen, daß sie sich regelmäßig besuchen können - so ungefähr das Gegenteil der Abschiedsfloskeln von uns anderen, mit ihrer Unbekümmertheit, ihrem Leichtdahingesagtsein, ihrer Synonimität mit »Bis bald«, »Auf später«, »Au revoir«. Worte verändern ihre Bedeutung im Alter, und Abschiedsworte wohl mehr als alle anderen. Stellen Sie sich vor, bei jedem »Auf Wiedersehen« ist Ihnen klar, es könnte das Aufnimmerwiedersehen sein, dann wird jeder Abschied zu einem kleinen Tod. Ich höre es jetzt förmlich, wie in der Zurückhaltung der beiden, ihren Schweigepausen, die Ewigkeit ruft. So tapfer Millie auch ist, diesmal spricht die alte Kämpferin die unterschwellige Wahrheit nicht aus — vielleicht deshalb nicht, weil die unterschwellige Wahrheit eben Schweigen ist.
    »...offengesagt bin ich überrascht, daß die Kritiken nicht schlechter waren. Barry Beams im Luftschiff war besonders wohlwollend, obwohl er ein Freund von Jerome ist. Na, wie auch nicht? Nach der Besprechung, die Jerome über Luftschiffe und Luftsegler schrieb!«
    Wahrscheinlich gegen seine bessere Absicht starrt Ben schon seit einer Weile in die mittlere Ferne. Simon ist einfach aufgestanden: jetzt steht er drüben bei Tante Edie, in völlig anderer Pose als vorher. Nur Alice schenkt meiner Mutter ihre ungespielte Aufmerksamkeit, nicht weil sie das Thema interessierte — ich glaube nach vierzehn oder fünfzehn Familienessen ist die Hindenburg direkt über Alices Langweile-Schwelle noch einmal explodiert —, sondern weil sie bis auf die Knochen höflich ist. Für die meisten von uns ist Höflichkeit lediglich eine Frage des Scheins, man tut nur so, als höre man aufmerksam zu. Aber das läßt jene Menschen aus, die einfach nicht lügen können und deshalb dazu verdammt sind, tatsächlich allen möglichen fürchterlichen Unsinn aufzunehmen. Alice ist wie eine Schauspielerin aus der Stanislawskij-Schule: Um so auszusehen, als höre sie zu, muß sie zuhören.
    Ich sehe Millie Gildart in Richtung Tür tappen. Unterwegs wird sie mit einem kurzen, finsteren Nicken von Ray bedacht, ehe er sein Kopf-an-Kopf-Gezische und -Geflüster mit Avril fortsetzt, wobei die Unverhältnismäßigkeit zwischen ihrem Lautpegel und ihrem Gestikulieren wirklich frappierend ist.
    »>Randolph Churchill: Wenn ich erwachsen bin, werde ich alle auf Unterhaltszahlungen verklagen. Evelyn Waugh: Ich bin mutiger als du. Randolph: Nein bist du nicht. Mein Daddy ist Winston Churchill.<«
    Mutti, die eine Weile ganz von ihrem Abschied von Millie in Anspruch genommen war, hat sich wieder hingesetzt und plötzlich bemerkt, daß alle Grüppchen mit sich selbst beschäftigt sind und niemand mit ihr spricht: gegen diese grobe Vernachlässigung wehrt sie sich, indem sie mit lauter Stimme noch einen der kurzen komischen Sketche aus Rommel? Gunner Who? vorliest, einen Dialog zwischen Randolph Churchill und Evelyn Waugh. Jetzt hält sie das Buch auf Armeslänge von sich, als ob ihr dadurch der Sinn aufginge. Allgemeines Gemurmel erfüllt weiter den Raum. Alice nickt meiner Mutter aufrichtig zu.
    »Ben?« sage ich und reiße meine Augen von seiner Frau los, »kannst du mich heimfahren.«
    »Wann?«
    »Bald.«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich glaube, wir sollten lieber noch ein bißchen bleiben.«
    »Komm, wir haben unser Soll erfüllt. Keiner wird sich dran stören, wenn wir jetzt gehen.«
    »Aber ich möchte noch bleiben.«
    »Ich dachte, du hättest gerade gesagt >Wir sollten noch ein bißchen bleiben<. >Sollten< ist nicht >wollen<.«
    »Es ist aber auch nicht diametral entgegengesetzt.«
    »Was zum Teufel soll das denn heißen?«
    »Du kannst etwas wollen, das zufällig gleichzeitig deine Pflicht ist. Wie...«, er überlegt einen Moment, dabei fällt sein Blick auf Mutti, die das Buch immer noch von sich wegstreckt, »...gegen die Nazis kämpfen. Hätten wir damals schon gelebt, dann wäre das etwas gewesen, das wir gesollt und gewollt hätten.«
    »Sprich bitte nur für dich selbst.«
    »Wie bitte?«
    »Na, du bist ein großer, kräftiger Kerl. Du sähst umwerfend aus in einem Tarnanzug. Ich dagegen, ich wäre umgekommen. Wahrscheinlich schon in der Grundausbildung.«
    »Aber wenn alle wie du denken würden...«
    »Dann sähe es bedeutend besser aus in dieser Welt?«
    »Nein. Dann hätte niemand gekämpft, und du wärst auf jeden Fall umgekommen. In einer Gaskammer.«
    »Ach, leck mich. Ich wollte doch weiter nichts von dir, als daß du mich heimfährst.«
    »>Waugh: Ich bin mutiger

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