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Ab jetzt ist Ruhe

Ab jetzt ist Ruhe

Titel: Ab jetzt ist Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Brasch
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beruhigte mich etwas. Der Mann klang gar nicht so furchteinflößend, wie ich erwartet hatte. Mein Körper schien mir wieder zu gehorchen, ich stand auf, zog mein Feuerzeug aus der Hosentasche und reichte es ihm.
    »Warten Sie hier auf jemanden, Ma’am?« Er zündete sich die Zigarette an und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Ma’am … So hatte mich noch niemand genannt. »Ich warte auf meinen Freund«, sagte ich und nahm die Zigarette, die der Massige mir anbot. »Wir wollten in das Restaurant hier.« Er gab mir Feuer. »Das ist schon seit ein paar Wochen zu«, sagte er und gab mir mein Feuerzeug zurück. In diesem Augenblick bog ein Taxi um die Ecke, hielt bei uns, und Matthew stieg aus. Er wirkte gehetzt und schaute den Massigen misstrauisch an. Doch der grinste nur und legte meinem Freund mit fast besänftigender Geste seine schwere Hand auf die Schulter: »Keine gute Gegend, um seine Freundin warten zu lassen, Mann«, sagte er, drehte sich um und lief langsam wieder über die Straße zu den beiden anderen. Matthew guckte irritiert. Dann stiegen wir ins Taxi und fuhren woanders hin. »Ich hab die Zeit vergessen«, sagte er. »Tut mir leid.« Es war nicht schlimm. Nicht mehr. Im Gegenteil.
    Vier Tage später brachte mich Matthew zum Flughafen.
    »Es war schön mit dir«, sagte ich.
    »Mit dir war es auch schön«, sagte er.
    Wir wussten, dass wir nicht mehr zu sagen brauchten. Wir hatten uns in unsere Worte verliebt, in unsere Abwesenheit, in eine Hoffnung auf beschriebenem Papier. Nicht mehr. Es war vorbei.
     
    Vorbei war es jetzt auch fast mit dem Land, in das ich zurückkehrte. Eine Woche nach meiner Ankunft standen die Leute in Schlangen vor den Banken und Sparkassen, um die Währung für die Reise in jene blühenden Landschaften abzuholen, die der dicke Mann uns versprochen hatte. Auch ich stand in einer dieser Schlangen und hob zweitausend D-Mark ab. Dann fuhr ich zu meinem ältesten Bruder.
    »Warum rufst du nicht an?«, fragte seine schlechtgelaunte Stimme in der Gegensprechanlage. »Ich hab jetzt keine Zeit.«
    »Ich will dir nur was geben.«
    Der Türöffner summte, und während ich die Treppe hinauflief, holte ich das Geld aus der Tasche. Die Wohnungstür war offen, ich ging durch den Flur und fand meinen Bruder in dem größten der Zimmer. Er stand an einem langen Tisch, der unter Papier begraben war und auf dem einige leere oder angebrochene Flaschen standen. Er rauchte und studierte das Blatt Papier in seiner Hand.
    »Was willst du mir geben?«, fragte er, ohne aufzublicken.
    »Dein Geld«, sagte ich und legte die Scheine auf den Tisch. »Danke.« Dann drehte ich mich um und ging, ohne auf eine Reaktion zu warten. »Du arrogante Ostkuh!«, rief mein Bruder mir einige Sekunden später hinterher. Die Tür fiel ins Schloss, und ich rannte die Treppe hinunter. Es ging mir gut. Ich hatte es ihm wiedergegeben.
     
    Ich fuhr zu meinem jüngsten Bruder, den ich lange nicht mehr gesehen hatte. Seine Frau, die Schauspielerin mit der kindlichen Stimme, öffnete mir die Tür. Ihre Augen waren gerötet, und als sie mich sah, fing sie an zu weinen.
    »Er wohnt nicht mehr hier.«
    »Was? Warum denn nicht?«
    »Der scheiß Alkohol hat alles kaputtgemacht«, sagte sie und schluchzte. »Er ist wieder in seiner Wohnung.«
    Ich fuhr hin und erschrak, als er mir die Tür öffnete. Sein Gesicht war zerschunden und bleich. »Schwesterchen«, sagte er und grinste schief. »Du besuchst deinen alten Saufbruder. Komm rein, ich mach Kaffee.« Ich folgte ihm durch den Flur seiner dunklen Hinterhofwohnung in die Küche. Er füllte Wasser in den Teekessel, stellte ihn auf den Herd und löffelte Kaffeepulver in zwei Tassen. Seine Hände zitterten nicht. »Ich trinke seit einer Woche nicht mehr«, sagte er, als könne er meine Gedanken lesen. »Muss mal Luft holen zwischendurch.« Als ich ihn nach der Schauspielerin mit der kindlichen Stimme fragte, zuckte er traurig mit den Schultern. »Ich arbeite, das hilft.« Er erzählte mir, dass er beim Rundfunk gekündigt habe, um Theater zu machen, und dass bald ein Buch mit seinen Texten erscheine.
    »Und du?«, fragte er. »Wie war’s in Amerika? Hast du mir was mitgebracht?«
    »Nö. Ich hab alles dagelassen.«
    »Macht nichts, mir fehlt auch so nichts zum Unglücklichsein.« Er goss kochendes Wasser in die Tassen, stellte sie auf den Küchentisch und setzte sich zu mir.
    »Und was ist mit deinem Amerikaner?«
    »Vorbei.«
    »Hm.«
    Wir schwiegen und schlürften unseren Kaffee,

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