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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Ahnung von Elektrochemie. Ich weiß nicht, wie ich es angehen muss.
    »Ich … ich hole mein Werkzeug.«
    »Lassen Sie sich nicht aufhalten«, sagte er. »Wenn ich jemanden finde, der helfen kann, schicke ich ihn zu Ihnen.«
    »Das wäre gut«, antwortete sie. »Was ist mit Ihnen? Wie geht es Ihnen? Können Sie mir nicht helfen?«
    »Wenn ich raten soll, würde ich auf einen Beckenbruch und etwas noch Schlimmeres im Bauch tippen. Manchmal werde ich bewusstlos.« Er grinste. »Aber dank der Aufputschmittel bin ich ziemlich high, und wir haben viel zu tun. Also los jetzt.«
    Sie stieß sich ab. Ihre Kehle war eng, und sie fürchtete, gleich ohnmächtig zu werden. Sie war überreizt und stand unter Schock. Durch das Blutbad und die Trümmer bahnte sie sich einen Weg zu dem Lagerraum, in dem sich die Werkzeugkisten von der Cerisier befanden. Mit der Karte sperrte sie auf. Eine Kiste war zerstört, die Überreste einer Prüfanlage schweben in der Luft – grüne Keramiksplitter und vergoldete Drahtstücke. Ren war noch da. Die Werkzeugkiste, die ihm als Sarg diente, hatte sich trotz der elektromagnetischen Klammern verschoben. Sie fragte sich, ob sie vielleicht noch schlief und ob die vielen Toten aus den Abgründen ihres eigenen Gehirns gekrochen waren. Als sie eine Hand auf Rens Kiste legte, erwartete sie beinahe, dass er mit einem Klopfen antwortete. Auf einmal wurde ihr übel, sie hatte das Gefühl, mit dem Schiff zusammen zu stürzen, und es werde auf ihr landen und sie zerquetschen. All das Blut und der Schrecken, all die Toten, die festgeklebt wurden, damit sie nicht umherschwebten, all das hatte hier seinen Anfang genommen. Alle ihre Sünden, die vergangenen wie die zukünftigen, hatten ihren Ursprung in den Knochen unter ihrer Hand.
    »Hör auf«, sagte sie sich. »Hör einfach auf.«
    Sie nahm die Werkzeugkiste an sich und eilte zum Maschinendeck und der zerstörten Luftaufbereitung zurück. Nikos hatte inzwischen zwei weitere Leute aufgetrieben, einen Zivilisten und eine ältere Frau in der Uniform der Raummarine.
    »Sind sie Koh?«, fragte die Frau. »Gut. Packen Sie seine Beine.«
    Melba stellte die Werkzeugkiste auf das Deck und aktivierte die Magneten, dann stieß sie sich ab und schwebte zu dem Loch im Luftaufbereiter. Die Maschine hatte sich aus dem Gehäuse gelöst, sodass der Tote etwas mehr Raum gefunden hatte. Melba packte den Toten an den Oberschenkeln und knüllte die Hose mit den Fäusten zusammen. Dann stemmte sie sich gegen die Metallverkleidung der Anlage.
    »Bereit?«, fragte der Mann.
    »Bereit.«
    Die Frau zählte von drei aus rückwärts, Melba zog. Zuerst dachte sie, die Leiche werde sich nicht lösen, aber dann riss etwas. Sie spürte die Erschütterung in den Händen. Der Tote rutschte heraus.
    »Eins zu null für die guten Jungs«, sagte Nikos auf der anderen Seite des Raumes. Inzwischen war sein Gesicht aschgrau verfärbt, als läge er im Sterben. Sie wünschte sich, er ginge in die medizinische Abteilung, aber die war vermutlich hoffnungslos überlaufen. Er konnte sich nur noch aussuchen, ob er bei der Arbeit starb oder während er dort auf einen freien Behandlungsraum wartete. »Räumt ihn weg, schafft ihn fort, er darf nicht wieder hereintreiben.«
    Melba nickte, packte fest zu und stieß sich ab, um zur anderen Wand zu schweben. Der Hinterkopf des Toten war fast platt gedrückt, aber der Tod hatte den Mann so schnell ereilt, dass kaum Blut zu sehen war. Drüben an der Wand klebte sie ihn mit Schaum fest und wartete einen Moment, bis die Verbindung hielt. Das Gesicht des Toten war dicht vor dem ihren. Sie konnte genau erkennen, wo er Barthaare beim Rasieren übersehen hatte. Die leeren braunen Augen. Auf einmal verspürte sie den Drang, ihn zu küssen. Angewidert wandte sie sich ab.
    Der Uniform nach war er ein Offizier gewesen, vielleicht ein Leutnant. Das Foto auf der weißen Kennkarte, die er an einem Band um den Hals trug, zeigte ihn mit ernster Miene. Sie berührte die Karte. Kein Leutnant, sondern sogar ein Lieutenant Commander. Lieutenant Commander Stepan Arsenau. Er wäre nie durch den Ring geflogen, wenn sie nicht gewesen wäre. Er wäre nicht hier gestorben. Sie forschte nach Schuldgefühlen, doch dafür war in ihr kein Raum mehr. An ihren Händen klebte schon viel zu viel Blut.
    Als sie die Karte zurückschieben wollte, meldete sich ein Stimmchen in ihrem Hinterkopf: Ich möchte wetten, dass er damit eine EVA-Ausrüstung bekommen kann. Melba blinzelte. Auf einmal waren

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