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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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entlassen worden. Er brauchte ein oder zwei Minuten, um zu bemerken, dass eine Nachricht von Michio Pa eingegangen war. Die XO hatte nicht um Rückruf gebeten. Sie wollte nicht mit ihm reden, sondern ihm nur etwas mitteilen.
    In der Aufzeichnung war ihr Gesicht vom Widerschein des Handterminals von unten beleuchtet. Sie lächelte schmallippig und angespannt, und außer dem Mund waren keine weiteren Gesichtsmuskeln beteiligt.
    »Ich habe begriffen, was Sie dort getan haben. Das war hübsch und sehr gerissen. Sie wickeln sich in die AAP-Flagge und sorgen dafür, dass sich der Alte fragt, ob sich die Crew nicht gelegentlich mal auf Ihre Seite schlägt. Sie sind der bessere Gürtler. Das war gekonnt.«
    Bull kratzte sich am Kinn. Seine Fingernägel schabten an den Stoppeln, die seit dem Morgen nachgewachsen waren. Wahrscheinlich wäre es zu viel verlangt gewesen, zu hoffen, dass er sich keine Feinde machte, aber er bedauerte, dass es ausgerechnet Pa war.
    »Mir können Sie nichts vormachen. Wir wissen beide, dass Sie keine Bewunderung ernten, wenn Sie jemanden töten. Ich werde dies nicht vergessen und hoffe nur, dass Sie überhaupt noch ein Stückchen Seele in sich haben, das ein schlechtes Gewissen bekommen kann.«
    Damit endete die Aufzeichnung. Bull lächelte den leeren Bildschirm müde an.
    »Jedes Mal«, erklärte er dem Handterminal. »Und beim nächsten Mal bestimmt auch.«

10    Holden
    Die Rosinante war kein kleines Schiff. Normalerweise bestand die Besatzung aus mehr als einem Dutzend Mannschaftsmitgliedern und Offizieren, und auf vielen Missionen hatte sie zusätzlich sechs Marinesoldaten befördert. Da Holden und seine Crew das Schiff zu viert betrieben, musste jeder von ihnen mehrere Aufgaben erledigen, was ihnen nicht viel Freizeit ließ. Zunächst bedeutete dies auch, dass es recht leicht war, die vier Fremden zu übersehen, die jetzt auf dem Schiff lebten. Die Dokumentarfilmer durften weder die Operationszentrale noch die Ebene der Luftschleusen, die Werkstätten oder den Maschinenraum betreten und mussten sich ständig auf den beiden Decks aufhalten, auf denen sich ihre Quartiere, der Lokus, die Messe und die Krankenstation befanden.
    Monica war eine sehr angenehme Person. Ruhig, freundlich, charismatisch. Wenn auch nur ein Teil ihres Charmes über die Kameras zum Zuschauer vordrang, war klar, warum sie so erfolgreich war. Die anderen – Okju, Clip und Cohen – waren gewillt, sich mit der Crew anzufreunden, rissen Witze und bereiteten für alle das Essen zu. Sie bemühten sich, doch für Holden war nicht ersichtlich, ob dies die übliche Schonfrist war, wenn eine neue Crew zum ersten Mal auf eine lange Fahrt ging, oder ob nicht doch Berechnung dahintersteckte. Vielleicht war es ein wenig von beidem.
    Allerdings konnte er beobachten, dass sich seine Crew zurückzog. Zwei Tage nachdem das Filmteam an Bord gekommen war, kehrte Naomi einfach auf das Operationsdeck zurück, auf das die Gäste ihr nicht folgen konnten. Amos hatte halbherzig mit Monica und etwas ernsthafter mit Okju geflirtet. Als aus beiden Versuchen nichts wurde, blieb er die meiste Zeit in der Werkstatt. Nur Alex nahm sich etwas Zeit für die Passagiere, aber auch er tat es nicht sehr oft. Manchmal schlief er sogar im Pilotensitz.
    Sie hatten eingewilligt, sich interviewen zu lassen, und Holden war klar, dass sie diesem Punkt nicht ewig ausweichen konnten. Bisher waren sie noch nicht einmal eine ganze Woche unterwegs, und selbst mit recht starkem Schub würden sie ihr Ziel erst in einigen Monaten erreichen. Außerdem stand es im Vertrag. Das Unbehagen war so groß, dass er beinahe nicht mehr an den Ring dachte, dem er sich mit jedem Tag näherte, und die Frage vergaß, warum Miller ihn überhaupt dort draußen haben wollte. Beinahe.
    »Es ist Sonnabend«, sagte Naomi. Sie lümmelte auf einer Druckliege in der Nähe der Com-Station. Seit einer Weile hatte sie sich nicht mehr die Haare geschnitten. Inzwischen waren sie sehr lang und manchmal ausgesprochen lästig. Während der letzten zehn Minuten hatte sie versucht, sich Zöpfe zu flechten. Die dicken schwarzen Locken widerstanden jedoch ihren Versuchen und bewegten sich anscheinend völlig unabhängig. Wie Holden aus früheren Erfahrungen wusste, würde dies bald schon damit enden, dass sie die Haare wütend auf die Hälfte kürzte. Eigentlich trug Naomi ihre Haare gern sehr lang, aber die Realität legte ihr Steine in den Weg. Holden saß an der Gefechtsstation, beobachtete ihren

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