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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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ihn deshalb getötet haben?«, fragte Ashford, doch Bull hatte ihm bereits den Wind aus den Segeln genommen. Er klappte zusammen wie ein Stück feuchte Pappe. Bull erkannte, dass sich Ashfords Schwäche dieses Mal zu seinen Gunsten auswirken würde, freute sich aber trotzdem nicht darüber.
    »Ich sage, dass er das Schiff in Gefahr gebracht und sich selbst daran bereichert hat. Außerdem hat er Luftfilter gestohlen. Es gab eine Nachfrage danach, und er hat geliefert. Wenn ich ihn einsperre, führt das nur dazu, dass das Risiko steigt und damit auch der Preis. Wird man erwischt, dann muss man möglicherweise ins Gefängnis, falls man nach Tycho zurückkehrt.«
    »Und Sie haben dafür gesorgt, dass das Risiko der Tod ist.«
    »Nein«, antwortete Bull. »Oder vielmehr, ja, aber ich habe ihn nicht erschossen. Ich habe das getan, was man mit Leuten tut, die das Schiff gefährden. Die Gürtler wissen, was ein nackter Weltraumspaziergang ist. Das fasst die Sache gut zusammen.«
    »Es war ein Fehler.«
    »Ich habe eine Liste von fünfzig Leuten, denen er Drogen verkauft hat«, sagte Bull. »Darunter sind einige fähige Techniker. Zwei sind Aufseher der mittleren Ebene. Wir könnten sie alle einsperren, aber dann hätten wir weniger Leute, um die Arbeit zu erledigen. Außerdem werden sie es in Zukunft bleiben lassen. Der Nachschub ist weg. Wenn Sie wollen, kann ich aber mit den Leuten reden und ihnen klarmachen, dass ich sie im Auge behalte.«
    Pa kicherte humorlos.
    »Das wäre schwierig, wenn Sie im Bau sitzen und auf die Anklage warten«, entgegnete sie.
    »Wir haben keinen Bau«, gab Bull zurück. »Ursprünglich sah der Plan vor, dass die Kirchenältesten alles ausdiskutieren.« Er bemühte sich sehr, nicht sarkastisch zu werden.
    Ashford schwankte. Er führte sich auf wie eine Katze, die darüber nachdenkt, im Baum von einem Ast zum nächsten zu springen. Seine Miene war berechnend, nach innen gewandt, unsicher. Bull wartete.
    »So etwas darf nie wieder vorkommen«, verkündete der Kapitän. »Wenn Sie noch einmal beschließen, dass jemand durch die Luftschleuse geschickt werden muss, dann kommen Sie zu mir. Ich will derjenige sein, der auf den Knopf drückt.«
    »Alles klar.«
    »Wie bitte?«, fauchte Ashford. Bull senkte den Kopf und starrte das Deck an. Er hatte bekommen, was er wollte, nun konnte er auch Ashford einen kleinen Sieg gönnen.
    »Ich meine, jawohl, Sir, Kapitän. Ich habe es verstanden. Ich habe es verstanden und werde gehorchen.«
    »Das will ich doch sehr hoffen«, sagte Ashford. »Und jetzt machen Sie sich wieder an die Arbeit.«
    »Ja, Sir.«
    Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte Bull sich an die Wand und atmete einige Male tief durch. Die Geräusche des Schiffs kamen ihm auf einmal sehr laut vor – das Summen der Luftaufbereitung, einige murmelnde Stimmen in der Ferne, das Zirpen und Piepsen Hunderter verschiedener Alarmsignale. Es roch nach Plastik und Ozon. Er war ein kalkuliertes Risiko eingegangen und hatte sich durchgesetzt.
    Als er Ebene um Ebene zurück nach unten ging, spürte er die Aufmerksamkeit der Leute. Im Aufzug versuchte ein Mann, ihn nicht anzustarren. Eine Frau lächelte ihn an und nickte, nervös wie eine Maus, die eine Katze wittert. Bull lächelte zurück.
    In der Wache der Sicherheitskräfte hoben Serge und ein anderer Mann aus dem Team – es war ein Europäer namens Casimir – die Fäuste und begrüßten ihn mit den Gesten des Gürtels. Bull antwortete auf die gleiche Weise und schlenderte zu ihnen.
    »Was ist passiert?«, fragte Bull.
    »Zwei Dutzend Leute sind vorbeigekommen und haben uns ihre Hochachtung gezollt«, meinte Serge. »Aus dem Nichts ist noch einmal etwa ein Pfund Feenstaub erschienen.«
    »Gut so.«
    »Ich habe alle registriert, die die Schleuse betreten haben. Soll ich sie im System kennzeichnen?«
    »Nein«, antwortete Bull. »Ich sagte ihnen, es sei keine große Sache, und das ist es auch nicht. Sie können die Datei löschen.«
    »Geht klar, Boss.«
    »Ich bin dann in meinem Büro«, fuhr Bull fort. »Geben Sie mir Bescheid, wenn sich sonst noch etwas tut. Außerdem könnte mir jemand einen Pott Kaffee besorgen.«
    Er hockte sich auf den Schreibtisch, stellte die Füße auf den Stuhl und beugte sich vor. Auf einmal fühlte er sich sehr erschöpft. Es war ein langer, unangenehmer Tag gewesen, und da er nun endlich die in den vergangenen Wochen aufgebaute Furcht abgestreift hatte, fühlte er sich, als sei er gerade eben aus dem Gefängnis

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