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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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Stärke, mit der sie durchs Leben gegangen war.
    „Warum interessierst du dich ausgerechnet für meine Großmutter?“, fragte sie nach einer Weile.
    „Schifter hatte mich zurate gezogen, als er die Bilder der Aufzeichnung sah, die wir gehackt hatten. Ich bin Heiler; es ist meine Berufung und meine Aufgabe, Menschen zu helfen. Ich interessiere mich nicht für die Dinge, die Marie erlebt hat, außer sie würde sie mir freiwillig erzählen wollen.“
    Edda gefiel der Klang seiner tiefen Stimme und die Ruhe und Sicherheit, die seine Worte ausstrahlten.
    „Bist du nicht zu jung dafür?“
    Gopal lächelte. „Je jünger, je besser“, sagte er scherzhaft, „das müsstest du doch wissen. Ich hatte das Glück, eine ungewöhnliche Kindheit zu haben. Eine, in der ich Dingen begegnet bin, die niemand für möglich hält, die ich nicht beweisen könnte und von denen ich trotzdem weiß, dass sie realer sind als alles, was wir hier sehen. Das gibt mir Kraft. Und Kraft geben mir auch Menschen, die das wissen. Wie du.“
    Edda lächelte. Sie wusste genau, wovon er sprach. Es war jener Teil in ihr, den sie in Indien hatte zurücklassen wollen und der ihr überallhin gefolgt war. Bis auf dieses Schiff. Ein Teil, der die Kraft hatte, sie wahnsinnig werden zu lassen oder sie zu jemandem zu machen, den es noch nie gegeben hatte. Wie Gopal.
    Sie wollte mehr über ihn erfahren, wollte ihn fragen, wer die Leute auf der »Shiva« waren, insbesondere Schifter, und was von ihm zu halten sei, aber sie wusste, dass es jetzt einzig um Marie ging.
    „Wie willst du Marie erreichen? Ihre Augen sind geschlossen“, fragte Edda und deutete auf die Spieluhr.
    „Diese spezielle Mechanik arbeitet über eine Frequenz, die Marie auf jeden Fall erreichen wird“, sagte Gopal. „Sie hat es schließlich schon einmal getan. Wie wir aus Maries Erinnerung wissen.“
    „Was genau ist das für ein Ding?“
    „Eine kleine Mechanik. Dieselbe, mit der dein Urgroßvater Marie hypnotisiert hat, um sie vor der Gestapo zu schützen.“
    Er hielt die „Spieluhr“ an Eddas Stirn und das Flirren der Räder gewann an Geschwindigkeit. Edda hörte, wie die Uhr ein kleines feines Sirren abgab, das immer höher und lauter wurde. Dann steckte Gopal die Spieluhr wieder weg.
    „Ich möchte dich nicht hypnotisieren“, sagte er. „Du gefällst mir, wie du bist.“
    Edda lächelte. Sie hatte sich entschieden.
    „Marie würde nicht wollen, dass sie wie ein kleines Kind ... dass sie so stirbt.“
    „Also?“
    Edda nickte und Gopal platzierte die kleine Uhr wieder auf Maries Stirn. Die Räder begannen sich zu drehen und wurden immer schneller, die leise und kaum hörbare Frequenz zog für eine Sekunde durch den Raum, dann wurde sie zu hoch für das menschliche Ohr.
    Edda sah zu, wie Maries Gesichtsausdruck sich veränderte, es schien, als würde sie aufhorchen, dann als höre sie aufmerksam zu und schließlich als folgte ihre Aufmerksamkeit dem seltsamen und unhörbaren Tonstrom.
    „Notabanotabano“, flüsterte Gopal „Notabanotabano.“
    Die Räder liefen so schnell, dass sie stillzustehen schienen. Dann wurde es ruhig in dem kleinen Raum. Selbst das Dröhnen der Maschinen im Inneren des Schiffes und das Schlagen der Wellen verschwanden für einen Augenblick. Der Brustkorb von Marie hob und senkte sich. Dann blieb er stehen.
    „Marie!“, schrie Edda auf. „Marie!“
    Marie schlug die Augen auf.
    Draußen an Deck wandte sich Simon von dem Bullauge ab, durch das er die Szene beobachtet hatte. Er war schockiert. Schockiert darüber, wie nah Edda und Gopal sich in der kurzen Zeit gekommen waren und wie vertraut sie miteinander umgingen.

    [3109]
    Greta weinte.
    Hätte jemand die alte Frau beobachtet, hätte er denken können, dass nur ihre Augen tränten, denn nichts sonst in ihrem Gesicht wies auf das tiefe Leid in ihrem Inneren. Der Schmerz, der sich ihrer bemächtigt hatte, folgte keinem körperlichen Gebrechen, er speiste sich einzig aus der Leere. Greta spürte, wie sie Besitz von ihr nahm, doch sie hatte keine Kraft, sich dagegen zu wehren. Ihr Traum war zerstört. Ihr Leben.
    Immer noch fassungslos, saß Greta in ihrer kleinen Berliner Hinterhofwohnung. Auf dem sorgfältig gemachten Bett hockend, starrte sie durch die Balkontür hinaus in den Winter. Eine Ewigkeit schon; so kam es ihr vor. Trübes Licht erfüllte das Schlafzimmer. Die kahlen Wände, die nicht mehr als notwendigen Möbel, alles, was sie hier umgab, kam ihr nun in den Sinn, ohne dass sie

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