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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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nehmen ihren Platz ein.
    „Was haben sie dir geboten, Victor?“, fragte Greta, ohne den Blick von ihm zu wenden. „Sag schon!“ Sie wollte ihm die Antwort nicht ersparen.
    Victor schaffte es sie anzusehen und er sah das Trübe in ihren wasserblauen Augen. So alt ist sie, dachte er, doch sie wird niemals aufgeben. Nicht solange sie lebt.
    „Ich muss dich bitten, deinen Arbeitsplatz zu räumen.“ Er klang hart, weil er auf keinen Fall unentschlossen klingen wollte. „Ich kann jemanden bitten, dir zu ...“
    „Pah!“ Greta ging davon; aufrecht und unter Schmerzen. Doch diesen stechenden Schmerz verschloss sie in ihren Beinen. Stolz wollte sie diesen Ort verlassen. Dann drehte sie sich in der Tür noch einmal um.
    „Es ist ein großer Fehler, die Macht der Kinder nicht ernst zu nehmen. Ein sehr, sehr großer Fehler. Sie haben unsere Überwachungschips aus ihren Körpern entfernt. Die Kritische Masse ist frei. Ihr werdet sie nicht mehr bändigen können!“
    Als Greta gegangen war, fühlte Victor sich wie mit einem Fluch belegt. Er konnte sich gut vorstellen, dass genau das ihre Absicht gewesen war. Er wusste, dass Flüche in Zauberwelten gehörten und bestimmt nicht in seine Welt aus mathematischen Formeln und Logik; dennoch fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut. Es hieß, der Mensch wachse mit seinen Aufgaben, aber Victor war nicht der Held, der er gerne sein wollte. Die unfassbare Summe, die man ihm versprochen hatte, wenn er die Essenz von Gretas Aufzeichnungen isolieren und damit das neue, gewagte und weltverändernde Projekt umsetzen konnte, machte ihn immer noch schwindelig. Doch Victor hatte keine Ahnung, dass Greta ihm gerade in diesem Moment ein letztes Mal zeigte, wie überlegen sie ihm war.
    Sie verließ den Teufelsberg mit einer kleinen Festplatte in ihrer Tasche, die alles enthielt, wofür Victor Greta und ihre jahrelange gemeinsame Forschung verraten hatte.
    [3110]
    Mühsam öffnete er die Augenlider, aber da war nichts. Seine Augen konnten nicht fokussieren. Grelles Licht ließ alles überstrahlen, schmerzte bis tief in seinen Kopf hinein. Linus schloss die Augen wieder.
    Langsam tauchte in seiner Erinnerung auf, was geschehen war. Er war im Krankenhaus. Man hatte ihn operiert. Er atmete schwer. Horchte. Von irgendwo hörte er die Klänge einer Orgel. Ein Chor setzte ein. Köln kam ihm in den Sinn. Die Kirche von Rob, seinem Pflegevater. Ja! Linus erinnerte sich, wie er eingeschlossen gewesen war, im Inneren der Orgel. Und er erinnerte sich, wie frei er sich dort gefühlt hatte, als die Orgel gespielt wurde und er begonnen hatte, die Frequenz der Töne in sich aufzunehmen. Wie sie ihm Angst genommen und ihn gestärkt hatten. Judith ... Es war ihre Idee gewesen, in die Orgel zu steigen. In seinen Gedanken empfand Linus immer noch die gleiche Faszination für dieses verrückte Mädchen wie bei ihrer ersten Begegnung. Sie war seine erste Traumfrau gewesen und vielleicht hätte sie es auch auf immer bleiben können. Wäre er nicht Edda begegnet. Edda ...
    Ob es noch weitere Frauen in seinem Leben geben würde? Die ihn sogar noch mehr faszinieren würden als Edda? Linus mochte diesen Gedanken. Dann wäre Edda frei für Simon. „Penis Angelicus“! So hatte Judith damals das Lied genannt, das jetzt irgendwo in der Nähe der Chor gerade sang. Linus musste lächeln. Und erschrak. Er stellte fest, dass er gar nicht lächeln konnte. Seine Lippen hätten sich in die Länge ziehen müssen. Hätten sich an den Enden nach oben richten sollen. Doch Linus spürte nichts von der Bewegung, die dazu notwendig gewesen wäre. Es kam keine Rückmeldung, die den Vollzug verkündete. Linus spürte, wie sein Herz wild zu schlagen anfing. Plötzlich spürte er Angst. Er traute sich nicht, eine andere Bewegung zu versuchen. Ihm fiel ein, wie er in dem Tunnel unfähig gewesen war, Edda und Simon zu rufen. Schon dort hatte er sich nicht mehr bewegen können. Kurz zuvor hatte die Kugel ihn getroffen. Linus ahnte, was das bedeuten konnte. Er schloss die Augen, nahm allen Mut zusammen und konzentrierte sich auf seine rechte Hand. Dann dachte er an seinen Zeigefinger, wollte, dass er sich nur ein wenig hebe. Um ihn in sein Blickfeld zu bekommen.
    Er öffnete die Augen.
    Doch da war nichts zu sehen von einem Finger. Nur das Weiß des kahlen Zimmers. Noch einmal versuchte es Linus. Aber es schien, als endeten seine Befehle schon gleich im Hirn. Linus fühlte nichts von seinem restlichen Körper. Das konnte nicht sein. Er war

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