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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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überkam, eine, in der es keine Angst und keinen Schrecken mehr gab. In der er nie Angst gehabt hatte. Stattdessen spürte er Mitleid mit der gläsernen Kreatur in der Tiefe – das war es, was es bedeutete ein Mensch zu sein! Am Leben. Lieben zu müssen, weil man dann nicht mehr einsam war. Was sonst wollte dieses Wesen außer Simons Liebe? Wie einsam es sein musste! Vielleicht hatte Simon in Wirklichkeit nie Angst gehabt, sondern nur nicht fühlen wollen, wie viel er für die Menschen empfand, die er liebte? Wie verletzlich sie ihn machten und wie schwer es war, den Schmerz darüber auszuhalten. Ja, Simon würde tiefer tauchen zu dem Kraken aus Licht und Blasen. Dort unten in der schweren salzigen Kälte würde er sich sicher wohlfühlen.
    Bald wäre er zu Hause angekommen.
    „Come play with me, Simon. For ever and ever.“
    Simon löste das Seil, das Schifter zu seiner Sicherung um seinen Körper gebunden hatte ...

    „Simon!“, schrie Edda über Wasser. „Simon! Simon!“ Gopal und Schifter, die das Sicherungsseil gehalten hatten, wankten, als der Zug, der auf dem Seil gelegen hatte, plötzlich verschwand. Eilig zogen sie das Seil ins Boot. Fassungslos starrten sie darauf. Sie wussten alle drei, was das bedeutete.

    Der Malstrom sog Simon weiter hinab in die Tiefe. Zehn, zwanzig, dreißig Sekunden. Egal. Was kümmerte Simon jetzt noch, wie lange es dauerte? Er hatte sich auf die Ewigkeit eingerichtet. Und so war es, als hätte das Etwas dort unten für ihn die Zeit angehalten. Damit er sich umschauen konnte, ohne Sauerstoff. Ja, man konnte ohne Sauerstoff existieren! Man brauchte nicht zu atmen, konnte einfach tiefer tauchen! Länger und länger.
    Für einen Augenblick meinte Simon, das Tosen der Wellen über sich zu hören. Eine vertraute Stimme, die seinen Namen rief. Durch wirbelndes Wasser der Schein eines Lichtes; für einen Augenblick ... Dann wurde es wieder schwarz und dunkel. Kälte durchdrang seine Kleider, seine Haut. Bis in das Innere seiner Knochen schlich sie.
    So kalt, dass sie heiß schien.
    Es gab keinen Unterschied.
    Alles war gleich.
    Hitze und Kälte. Oben und unten. Wasser und Luft. Leben und Tod. Es war alles aus einem gemacht. Aus Liebe.

    „Wir müssen Simon retten!“, schrie Edda. Doch Schifter schüttelte hilflos den Kopf, während er das Boot wieder näher an den Ponton heranzog und Edda befahl, erneut nach der Stiege zu greifen. Sein Gesicht war verzerrt, wütend und besorgt. Er deutete auf die Öffnung in dem Plateau, aus dem immer noch das warme, verlockende Licht strahlte. Zum ersten Mal bemerkte Edda so etwas wie Angst oder Aufregung in Schifters Verhalten. Merkwürdigerweise schien ihr das Kraft zu verleihen und auf Anhieb gelang ihr jetzt der Schritt auf eine der feuchten, von glitschigen Algen überzogenen Stufen. Kurz darauf stand sie im Licht einer vergitterten Lampe auf der Stiege, die nach oben auf die Plattform führte.
    Der Junge, der ihr hinaufgeholfen hatte, wollte Edda eine Decke um die Schultern legen und sie nach oben führen, doch Edda weigerte sich.
    „Simon ist noch da unten! Mein Freund. Er darf nicht sterben!“
    „Wenn er da unten im Wasser gelandet ist, hat er keine große Chance“, sagte der Junge so sachlich, als würde er Edda die Uhrzeit mitteilen. Seine dichten braunen Haare waren kurz geschnitten und er hatte helle graue Augen. „Los, los, gehen wir!“, drängte er. „Die anderen müssen auch noch rauf!“
    „Ich geh nirgendwo hin!“, schrie Edda zitternd. „Wir müssen Simon helfen!“
    Sie starrte in das tobende Meer, das zwischen den Pfeilern wogte. Für einen Augenblick meinte sie Simons Kopf zwischen den Schaumbergen zu erkennen. Dann war er wieder verschwunden. Mit zitternden Händen zog sie ihre Schwimmweste aus und warf sie nach unten ins Wasser.
    „Bist du bescheuert?!“, schimpfte der Junge. „Wir haben sowieso zu wenig von den Dingern!“
    „Ihr könnt ihn doch nicht sterben lassen!“
    Der Junge hielt Edda am Arm gepackt. Sie mussten schreien, um sich gegen das Tosen der Brandung zu verständigen.
    „Was redest du für Scheiß?“, ging er Edda an. „Ich dachte, ihr bildet die Kritische Masse. Also denk nach! Und denk positiv! Dass er es schaffen kann. Und selbst wenn er stirbt, bringt es dir nichts, hier wie ein Huhn ohne Kopf herumzugackern.“
    Edda spürte, wie die Augen des Jungen sie förmlich zwangen, sich zu fokussieren. Sie wusste, dass er recht hatte. Entweder sie verlor sich in den Tiefen ihres Kopfes und ihrer

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