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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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dabei s e ine Sachen in eine n Rucksack. Er sah nicht, wie die Frau in ihre Tasche griff und eine präparierte Spritze hervorholte. Sie schnippte die Schutzhülle von der Kanüle und setzte si e ihm mit einer gekonnten, fast eleganten Bewegung ins Genick, gerade als er sich aufrichten wollte. Der Junge sackte zurück auf den Sessel. Der Rucksack fiel aus seiner Hand. Als hätte ich den Stecker gezogen, dachte die Frau.
    Routiniert prüfte sie den Puls an der Halsschlagader und gab dann per Handy Signal. Kurz darauf tauchten zwei Mä n ner auf. Sie trugen Windjacken und ihre Basecaps zierte ein kleines Emblem, das einer Raubtiertatze ähnelte.
    „Keine Spuren“, sagte die Frau und während die beiden Männer den toten Jungen schulterten und hinausbrachten, wählte sie eine Nummer in Berlin. Eine automatische Ansage forderte sie auf, eine Nachricht zu hinterlassen.
    „Hier Cassy Birdsdale“, sagte die Frau. „Mister Ono ... wir haben sie“, fügte sie sachlich hinzu und schaute auf den Bildschirm.
    Die beiden Punkte bewegten sich auseinander; in die Nacht hinaus auf die See.
    [3103]
    Die »Shiva« hatte ihre Geschwindigkeit gedrosselt und war fast zum Stehen gekommen. Das laute Vibrieren, das der Lauf der großen Motoren in jede Niete des alten Schiffes übertragen hatte, war dem gleichmäßigen Krachen der Wellen gewichen, die wie nasser Atem gegen das Schiff schlugen. Der Atem des Meeres.
    Vor wenigen Minuten hatten Edda, Simon und Schifter das Deck des mächtigen Dampfers erreicht. Marie war wegen ihrer Schwäche als Erste mit einer Trage an Bord geholt worden und wurde bereits in der Krankenabteilung untersucht. Auf Schifters Befehl kappten zwei Matrosen die Leinen des kleinen Bootes, das sie aus Berlin hierher getragen hatte. Von den Wellen wurde es in die Dunkelheit gerissen und trieb davon, während die »Shiva« allmählich wieder neuen Kurs nahm.
    Schweigend und niedergeschlagen gingen die neuen Passagiere unter Deck. Nur kurz hatte die Erleichterung über die gelungene Flucht und ihre Freude darüber, am Leben zu sein, angehalten; dann war jede Euphorie aus ihrem Geist und ihren erschöpften Körpern verschwunden. Doch während Eddas Sorge um Marie dafür sorgte, dass sie sich fokussieren konnte, spürte Simon, dass er sich immer weiter von seiner Mitte entfernte. Beide wussten sie, dass sie Linus nicht hätten zurücklassen dürfen. Lebte er überhaupt noch? War er verletzt? Sie empfingen keinerlei Signale von ihm. Aber sie hatten auch keine Energie gehabt, sich zu konzentrieren, sich zusammenzuschließen, um ihren Freund zu erreichen. Immer noch bereitete es Edda und Simon körperliche Schmerzen, an das zu denken, was vor knapp sechsunddreißig Stunden in Berlin geschehen war. Die Schüsse, die Schreie. Ihre Flucht. Und die Nachwirkungen der Droge, die Olsen in die Lüftung der Anlage am Teufelsberg eingeleitet und die sie schließlich doch erwischt hatte, verliehen allem einen dunklen, unwirklichen Schein. Als bestände die Welt nicht aus Menschen und Dingen, sondern nur aus Schatten, die nicht im Mindesten aussahen wie die Dinge, zu denen sie angeblich gehörten.
    Mit jeder Meile, die das Fluchtboot weiter hinaus auf die offene See gelangte, hatte sich die Ungewissheit über Linus’ Zustand verdichtet. Und der innere Vorwurf, dass sie ihn im Stich gelassen hatten, ließ sich nicht mehr aus ihren Gedanken vertreiben. Geblieben war nur eine vage Hoffnung, an die sie sich klammerten. Die Hoffnung, dass es keinen Sinn machen würde, Linus etwas anzutun. Dass er doch viel zu jung war, um eine wirkliche Gefahr für gene-sys sein zu können. Dass Olsen und Bixby vor Ort waren. Vielleicht hatten sie die Schlacht gegen gene-sys gewonnen. Vielleicht würden sie in ein paar Stunden zu ihnen stoßen.
    Simon fühlte, dass es nicht so war, doch er sagte es Edda nicht. Was er fühlte war, dass man einen Teil von ihm amputiert hatte und dass dieser Teil umso heftiger schmerzte. Phantomschmerz. Das kannte er von seinem Finger. Das war es, was sie geworden waren – Phantome mit Schmerzen. Phantome, die auf der nächtlichen Nordsee herumirrten, einer riesigen Wasserfläche, die von Schiffen bevölkert war und auf der sie jetzt auf die Hilfe anderer angewiesen waren. Abhängig von Menschen, denen Simon nicht wirklich vertrauen wollte.
    Immer kleiner war ihr Aktionsradius geworden, immer begrenzter ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten.
    Schifter hatte Edda und Simon in den Aufenthaltsraum gebracht. Hier konnten sie

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