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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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Frikadellen verkauften oder Strandkörbe vermieteten. „Fischköppe“ hatte Marie sie immer genannt. Doch die Tatsache, dass sich eine ganze Gemeinschaft von Menschen für dieses wilde Leben und die Abkehr von Äußerlichkeiten entschieden hatte, machte es angenehmer. Und die Leute auf der Plattform waren alles, aber keine Fischköppe.
    Bisher hatte Edda Gemeinschaften immer gemieden, so gut es ging. Zu sehr erinnerten sie sie an ihre Zeit in Indien, an die Sekte, in die ihre Mutter sie geführt hatte, den Kult um den Führer und die Art, wie Menschen ihre Würde und ihre Individualität geopfert hatten, um einem eitlen Mann zu gefallen, der sich für einen Gott hielt und keine Scham hatte, den Glauben der Menschen daran auszunutzen. Vermutlich hatte er noch gemeint, er würde ihnen eine wertvolle Lektion in Leichtgläubigkeit erteilen. Trotzdem hätte Edda das Leben auf der Plattform, ja nicht einmal das mit Simon und Linus auf der Straße, ausgehalten, wenn die Zeit in Indien sie nicht darauf vorbereitet hätte. Dort hatte sie gelernt, mit vielen Menschen gleichzeitig zu kommunizieren und sich in ihrer Gesellschaft weder zurückzuziehen noch in einem fort um die Aufmerksamkeit und das Rampenlicht zu kämpfen. Ohne ihre Zeit in Indien hätte sie auch einen Mann wie Gopal sofort ausgeblendet, dachte Edda. Wenn sie ehrlich war, dann trug er durchaus Züge des Gurus ihrer Mutter in Indien. Die positiven jedenfalls, so sagte sie sich.
    Gopal fand immer die richtigen Worte, die etwas so Selbstverständliches und Wärmendes hatten, aber sie spürte auch Scheu vor ihm, fast war es eine Angst. Vielleicht weil so viel von Bestimmung in ihrer Begegnung mit ihm lag. Bernikoffs Aufenthalt hier, vor über siebzig Jahren, noch dazu war Gopal tatsächlich ein Urenkel von August Engelhardt, über dessen Leben sie während des gene-sys- Camps einen Dokumentarfilm im Museum für Völkerkunde gesehen hatte. Edda erinnerte sich noch genau, wie Schifter ihnen den Film gezeigt hatte und sie nachher eine Diskussion mit den anderen Jugendlichen über diesen schrägen Ritter der Kokosnuss geführt hatten. Edda war die Einzige gewesen, die Gopals Urgroßvater gegen die anderen verteidigt hatte. Das Paradies auf Erden zu errichten, war Engelhardts Plan gewesen. Edda hatte ihn verstanden – auch wenn dieses Paradies auf den göttlichen Qualitäten der Kokosnuss beruhte. So war die erste Kommune entstanden, so war Engelhardt der erste Hippie geworden. 1906. Doch waren das nicht Sachen, die Edda eigentlich hasste?
    Wieso fühlte sie sich dann erwählt? Weil Gopal sie auserkoren hatte und sie besonders behandelte? Oder bildete sie sich das bloß ein? Weshalb sollte er überhaupt an einem Mädchen wie ihr interessiert sein? Was hatte sie ihm schon zu bieten? Warum traten manchmal Tränen in ihre Augen, wenn er sie berührte oder ihr über das Haar strich? Lag es einfach daran, wie selten sie jemand in den letzten Monaten berührt hatte – abgesehen von den zufälligen Berührungen durch Simon und Linus und ihre ausgelassenen Kabbeleien? Gopal war ein Mann – keiner der Jungs hatte sich je getraut, Edda wirklich zu sagen, was er fühlte.
    Aber was fühlte Gopal für sie? Trotz aller Beweise seiner Zuneigung wusste sie es immer noch nicht.
    Edda wollte nicht, dass er sah, wie viel sie dachte, und wandte sich ab.
    Er öffnete eine Metalltür und ließ Edda in einen Raum treten, in dem Kleidung gestapelt in Regalen lag. Er taxierte Eddas Körper, dann zog er ein T-Shirt, eine Jogginghose und eine Trainingsjacke heraus und legte sie zusammen mit einem Handtuch vor Edda auf einen Tisch. Sie nahm die Sachen auf und wartete, dass Gopal den Raum verlassen würde. Als er keine Anstalten machte, drehte sie sich so um, dass es nicht schamhaft wirkte, und zog ihr Oberteil aus. Ein Windhauch streifte ihre Haut und richtete die kleinen Härchen auf. Edda spürte, wie die Warzen ihrer Brüste fest wurden. Ihr war klar, dass er das sehen konnte. Für eine Sekunde trafen sich Eddas und Gopals Blick.
    „Es gibt ein Kloster, in dem die Mönche nackt im Schnee sitzen und nasse Tücher mit der Wärme ihrer Körper trocknen. Wer es nicht schafft, muss die ganze Nacht im Schnee sitzen bleiben.“
    „Na toll. Entweder bist du danach tot oder hast nie wieder eine Erkältung“, sagte Edda trocken. Gopal lachte. Edda wartete darauf, dass er endlich die Kleiderkammer verlassen würde, aber er schien gar nicht daran zu denken.
    „Von mir aus kannst du bleiben“,

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