ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)
wusste sie einen Augenblick nicht, wo sie sich befand. Wie lange hatte sie geschlafen und was war geschehen? Sie hatte auf einer Bühne getanzt, gesungen. In ihrem Kopf verblichen die Bilder und Klänge, aber immer noch fühlte sie sich leicht und frei.
Etwas benommen rappelte sie sich auf.
Die beiden Kerzen in der kleinen Kabine waren heruntergebrannt und draußen war es bereits dunkel. Edda hörte das Rauschen des Meeres. Es fiel ihr wieder ein. Sie war in Gopals Kabine. Er hatte sie massiert, und durch seine Berührungen war sie auf eine innere Reise gegangen, die mit der Gewissheit geendet hatte, dass sie und Gopal zusammengehörten.
Edda merkte, dass sie nackt war, und erschrak – hatte sie Sex mit Gopal gehabt? Nein, daran würde sie sich sofort erinnern. Sie streckte sich wohlig und lächelte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich je so frisch und zuversichtlich gefühlt hatte. Es war, als hätte sie durch Gopals Massage Ballast verloren, als hätte er gewusst, wo in ihrem Körper unangenehme Dinge gespeichert gewesen waren, und sie mit seinen Berührungen gelöst und zum Verschwinden gebracht. Ihr kleiner Freund Shiva, der indische Guru, ihre Mutter – da waren weder Trauer noch Hass noch Schuld in ihr. Die Schatten waren von ihr gewichen. Gopal hatte sie von ihr genommen. Was für ein Glück, dass sie ihn getroffen hatte.
Edda zog sich an und ging in das Nebenzimmer, wo Gopal saß und sich Notizen machte. Auf dem Regal an der Wand standen Gegenstände und Lebewesen aus dem Meer, die sich in den Netzen der Fischer verfangen hatten. Er hob den Kopf und lächelte Edda freundlich an.
„Na, wie fühlst du dich?“
Edda ging auf Gopal zu und legte den Arm um ihn. „Die Massage war der absolute Wahnsinn.“
Er nickte. „Es war eine Reaktivierung dessen, was in deinem Körper gespeichert war. Magst du einen Schluck Tee?“
Edda nickte. Es war Chai. Das warme Getränk tat ihr gut. Seit ihrer Kindheit liebte sie den Geruch von Kardamon und Gewürzen, die dem schwarzen Tee seinen besonderen Geschmack gaben. Sie schlürfte den ersten Schluck und sah Gopal dabei über den Rand der Tasse an. Sie lächelte. Mein Gott, sie war wirklich verliebt. Gopal sah ihr Lächeln, und bevor er noch einmal fragen konnte, erzählte Edda von ihrem Traum. Als sie geendet hatte, wartete sie darauf, dass Gopal ihr erklären würde, was das alles zu bedeuten hatte.
„Du beginnst dich zu befreien, Edda“, sagte er nur und fragte, was ihr noch aufgefallen war.
„An mehr kann ich mich nicht erinnern, aber ich fühle mich wirklich befreit. Und leicht und frisch. Am Ende war noch irgendetwas mit Marie und dem Dritten Reich und einem Mann, der aussah wie du.“
Nachdenklich blickte Gopal sie an.
„Aber ich dachte, man kann nur Sachen träumen, die man schon mit eigenen Augen gesehen hat“, sagte Edda.
„Manchmal mischen sich Filme und Fotos in das, was wir erlebt haben“, sagte Gopal. Er legt den Stift weg und klappte sein Notizbuch zu.
Edda schüttelte den Kopf. „Es war alles so real und echt – und es war zur Zeit des Dritten Reichs. Ich habe gesungen und wir beide – waren zusammen. Wenn ich Noten schreiben könnte, dann würde ich jetzt ein Lied komponieren, das die ganze Welt befreit.“
Sie kam auf ihn zu und legte den Arm um seine Schultern. Gopal reagierte nicht, sondern schaute sie nur an.
„Vielleicht kennen wir uns aus einem anderen Leben?“, fragte er.
Edda starrte ihn an. Meinte er das ernst?
„Mein Leben jetzt ist schon kompliziert genug“, sagte sie lachend und sah ihm in die Augen.
Weshalb reagierte er nicht und tat endlich, was jeder andere Junge oder Mann längst getan hätte; nahm sie in den Arm und küsste sie? Edda beschloss, ihren ganzen Mut zusammenzunehmen. Sie zog ihn an sich und setzte sich auf seinen Schoß.
„Ich möchte mit dir schlafen“, sagte sie leise.
Gopal starrte sie an.
„Aber wozu?“, fragte er verwundert.
Edda schluckte.
„Weil ich dich liebe. Und ich denke, du ... liebst mich auch.“
Er lächelte. „Das stimmt, aber deswegen müssen wir nicht zusammen schlafen – es gibt so viel schönere Arten, mit dieser Energie umzugehen.“
„Was meinst du?“, fragte sie verwirrt und spürte, wie die angenehme Erfahrung, von der sie eben noch ganz erfüllt gewesen war, verdrängt wurde. Gopal strich eine Strähne aus ihrem Gesicht und streichelte ihre Wange.
„Du siehst wirklich wunderschön aus.“
„Wieso sagst du so was?“, fragte Edda
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