ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)
zurück und folgte Bixbys Wagen.
„Nicht schlecht für sein Alter“, sagte einer der Kameraden auf der Rückbank.
An der Auffahrt zur Landstraße musste Olsen einen Lkw passieren lassen. Im Rückspiegel sah er den Van näher kommen.
„Sie kriegen uns nicht“, teilte Linus ihm mit. „Sie kriegen uns nicht.“
„Da wär ich nicht so überzeugt“, sagte Olsen laut.
„Sie kriegen uns nicht“, beharrte Linus.
Olsen gab Gas. Bog nach links ab. Und gleich wieder auf die Autobahn. Greg hatte auch mit diesem Manöver nicht gerechnet. Er schlug das Steuer ein, doch der Wendekreis des Vans war zu groß. Er landete im verschneiten Grasstreifen neben der Straße. Die Räder drehten sirrend durch.
„Raus!“, schrie Greg. „Schieben!“
Sofort waren seine Leute hinter dem Van und schoben ihn auf die Straße. Als sie wieder eingestiegen waren, trieb Greg den Wagen voran. Alle schwiegen.
Olsen hatte die Lichter seines Wagen ausgeschaltet und erreichte nach ein paar Hundert Metern einen Parkplatz. Er hatte die beiden Lkws dort gesehen und war eingebogen.
„Fuck! Wo ist er?“ Greg konnte nicht fassen, dass Bixbys Wagen verschwunden war. Er und seine Leute starrten in die Nacht.
„Der ist echt gut“, sagte der Raucher und wendete sich ab, als er den bösen Blick von Greg empfing. Der Blick des Rauchers ging zur Seite.
„Da!“, rief er. „Auf dem Parkplatz!“
Die Scheinwerfer des wegfahrenden Lkws hatten Bixbys Wagen in helles Licht getaucht. Greg handelte sofort und bog von der falschen Seite auf den Parkplatz ein. Das Horn des wegfahrenden Lkws brüllte wütend in die Nacht.
Olsen hatte da gerade Linus ins Cockpit des anderen Lkws gelegt und den Fahrer mit vorgehaltener Waffe gezwungen, es zuzulassen. Der Mann redete irgendeinen osteuropäischen Kauderwelsch, doch beim Anblick von Linus’ Reglosigkeit verstummte er.
„Go! Go!“, schrie Olsen, machte ein Zeichen, der Mann solle losfahren. Er warf die Tür zu und rannte davon. In die endende Nacht. Es war die einzige Chance, Linus zu retten. Er selber würde allein in dem Gelände vielleicht auch einen Weg finden, seinen Gegnern zu entkommen.
Als Olsen sicher war, dass die Verfolger seine Spur aufgenommen hatten und von Linus abgelenkt waren, schlug er einen Bogen um den Parkplatz und stieg über die Leitplanke auf die Fahrbahn. Auf die Distanz konnten die Verfolger Olsen nicht erkennen, doch im dämmernden Morgenlicht dieses Samstags war es für ihn unmöglich, von Greg und seinen Leuten nicht als Flüchtender wahrgenommen zu werden. Also machte er aus seiner Not eine Tugend. Er spurtete über die Fahrbahnen bis zum Parkplatz auf der anderen Seite und wartete, bis die Verfolger ihn dort entdeckten. Dann hielt er einen Wagen auf, der gerade den Parkplatz verlassen wollte, und riss die Beifahrertür auf.
Gregs Leute konnten nur noch zusehen, wie der kleine Mazda Richtung Berlin davonfuhr. Greg stand etwas abseits. Für einen winzigen Moment huschte da ein anerkennendes Lächeln über sein Gesicht.
Ohne ein Wort wandte er sich ab und ging zurück zu dem Van. Er hatte sich die vage erkennbare Autonummer des Mazda auf seinen Handrücken gekritzelt.
Geduckt hinter der Leitplanke sah Olsen, wie die Verfolger zu ihrem Wagen stiefelten. Er war nicht in den Mazda eingestiegen, sondern war abgetaucht und hatte der Fahrerin des Wagens mit der Waffe einen gehörigen Schrecken eingejagt. Jetzt sah er, wie die Söldner hinter dem Lkw verschwanden, in dem immer noch Linus lag. Der Idiot von Fahrer hatte nichts begriffen.
Lange geschah nichts. Zu lange. Olsen hielt es nicht aus. Er nahm das Risiko auf sich und huschte zurück über die Fahrbahnen. Vorsichtig schlich er voran und sah, dass Greg ins Führerhaus des Wagens schaute. Schließlich stieg er endlich mit seinen Leuten in den Van und fuhr davon.
Olsen eilte zu dem Lkw, öffnete die Fahrertür und sah in das verheulte Gesicht des Fahrers. Aus seinem Radio dudelte irgendeine leiernde, orientalisch angehauchte Musik.
„Ich nix. Ich nix!“, stammelte der Mann immer wieder. „Ich nix!“ Und er deutete auf Linus. Olsen ging um die Motorhaube des Lkw herum, seine Schritte wurden immer schwerer. Dann sah er Linus.
Er war zur Seite gekippt.
Regte sich nicht mehr.
Olsen stand da. Tränen rannen über sein Gesicht und zusammen mit diesem Fremden heulte er zu schrecklicher Musik um den ersten Menschen, für den er nach so langen Jahren ehrlich hatte Liebe empfinden können.
[3220]
Als Edda aufwachte,
Weitere Kostenlose Bücher