Abbild des Todes
neuen Comic arbeiten.”
“Dann lass ich dich in Ruhe. Komm morgen einfach vorbei, okay? Ich mache dir auch was zu essen.”
Dank der vier Tassen Kaffee, die sie in den letzten Stunden getrunken hatte, fühlte Zoe sich hellwach, als sie an ihren Zeichentisch ging, an dem ihr neuester Fall wartete:
Kitty Floyd und das Wunderkind.
Wie schon in der Nacht zuvor setzte sie sich, blätterte eine neue Seite auf und ergriff ihren Stift. Sofort glitt ihre Hand über das Papier und malte die vertrauten Linien von Kitty Floyd in den sieben mal fünf Zentimeter großen Rahmen.
Nach ein paar Minuten hielt Zoe inne. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass die Szene, die sie eben skizziert hatte, nichts mit dem Wunderkind-Fall zu tun hatte. In dem Rahmen verließ eine aufgestylte Kitty gerade ein protziges Hotel in Manhattan, in dem sie die Weihnachtsfeier einer Freundin besucht hatte, und hob den Arm, um ein Taxi zu rufen.
Zoe kaute auf dem Ende ihres Stiftes herum und betrachtete die Zeichnung, die die Ereignisse der letzten Nacht widerspiegelte. Das war keine schlechte Idee. Anstatt Kitty den Fall des Wunderkinds untersuchen zu lassen, würde Zoe ihr einen Fall geben, der dem Verschwinden von Lola Malone ähnelte. Eine Mischung aus Realität und Fiktion, die davon abhing, wie viele Informationen sie enthüllen würde.
Sie ließ sich weiter von der Muse inspirieren und begann im zweiten Rahmen ein Bild, in dem Kittys Blick von einem Glitzern am Eingang einer Seitenstraße in der Nähe des Hotels angezogen wurde. Zoe zeichnete Kittys offen stehenden Mund, als sie eine wunderschöne Frau entdeckte, die dort auf der Erde lag. Der dritte Rahmen zeigte, wie Kitty sich neben die Frau kniete und versuchte, sie aufzuwecken. Das letzte Bild schließlich zeigte eine verstörte Kitty, die zurück zum Hotel lief und den Portier bat, die Polizei zu rufen.
Eine weitere Stunde verbrachte Zoe damit, die Zeichnungen zu vervollständigen, Gedanken und Dialoge hinzuzufügen. Als sie fertig war, fing sie mit dem Strip für Dienstag an, setzte die Geschichte fort und ergänzte weitere Informationen. Über die Comics für Mittwoch und Donnerstag musste sie sich vor morgen keine Gedanken machen. Da ihre Arbeit nur in einer Zeitung erschien, hatte sie sehr kurze Abgabefristen. Betrug die Vorlaufzeit normalerweise vier bis sieben Tage, reichte es bei ihr, wenn sie die Comics zwei bis drei Tage vorher abgab. Entweder schickte sie sie per E-Mail oder brachte sie persönlich beim
Herald
vorbei.
Als Überschrift wählte sie den Titel “Wer tötete Mona Gray?” Das war nicht sonderlich originell, aber es hatte genau die Wirkung, die sie erzielen wollte. Die Namen und Berufe der Hauptakteure hatte sie geändert. So war Lola Malone jetzt Mona Gray, eine beliebte Seriendarstellerin. Aus Rick alias Nicholas Simms wurde der gut aussehende Regisseur der Sendung, und anstelle eines Agenten hatte Zoe Mona einen Exmann gegeben, der unschwer als Buddy Barbarino zu erkennen war.
Als sie fertig war, überflog sie die beiden Comics noch einmal, korrigierte und ergänzte hier und da ein Wort und legte dann den Stift zur Seite.
Alles, was sie jetzt noch zu tun hatte, war E.J. die Idee zu verkaufen.
Zoe wusste, dass sie E.J. am Sonntagmorgen mit großer Wahrscheinlichkeit auf der Indoor-Laufbahn an der Third Street, nahe Cooper Square, finden würde. Da ihm die hausgemachten Cannelloni seiner Frau zu gut schmeckten, zwang er sich, dreimal die Woche vier Meilen zu laufen, auch wenn er oft genug sagte, dass es egal wäre, was er täte, die Cannelloni würden die Schlacht doch gewinnen.
Zoe wartete, bis er hinter der Kurve der Innenbahn auftauchte, bevor sie sich bemerkbar machte. Überrascht winkte er ihr zu und verlangsamte das Tempo, um schließlich direkt vor ihr stehen zu bleiben.
“Zoe”, er beugte sich vornüber, stützte beide Hände auf die Knie und atmete ein paarmal tief durch. “Was in Gottes Namen … machst du hier?”
“Ich suche dich, was sonst?”
Er schaute auf den Umschlag, den sie in der Hand hielt. “Was hast du da?”
“Die Comics für Montag und Dienstag. Ich möchte, dass du einen Blick darauf wirfst.”
“Du hast uns die Strips für Montag und Dienstag doch schon geschickt.”
“Ja, aber das hier ist eine neue Story.” Sie öffnete den Umschlag und zog ein Papier mit acht neuen Bildern heraus.
E.J. runzelte die verschwitzte Stirn. “Was ist das?”
“Lola Malones Verschwinden. Natürlich ein bisschen verändert.”
“Was
Weitere Kostenlose Bücher