Abbild des Todes
ist mit dem Wunderkind?”
“Das stellen wir ein paar Ausgaben zurück und veröffentlichen stattdessen die Lola-Malone-Geschichte.”
“Warum?”
“Weil ich näher an sie herankommen will – sozusagen in ihre Haut schlüpfen möchte. Wenn ich jeden Tag an der Geschichte arbeite, kann ich mich darauf konzentrieren, was ich vielleicht übersehen habe.”
Der Verleger warf ihr einen besorgten Blick zu. “Du klingst, als wolltest du ihr Verschwinden selbst untersuchen.”
“Was soll ich denn sonst machen? Es nimmt mich doch keiner ernst.” Sie wartete nicht auf seinen Protest. Was auch immer er sagen wollte, sie hatte es bestimmt schon von Rick oder Joe gehört. “Die Geschichte wird garantiert auf großes Interesse stoßen. Nachdem Buddy Barbarino beim
Herald
angerufen hatte, wollten viele Leute aus dem Verlag alles über Lola Malone wissen. Die anderen Zeitungen haben die Nachricht bisher noch nicht aufgegriffen, aber wenn sie es tun, werden die Leser Parallelen zwischen Lola Malone und Mona Gray ziehen und sich garantiert von der Geschichte fesseln lassen.”
E.J. sah sich die beiden Comics noch einmal genauer an. “Damit hast du mich an der Angel, so viel steht fest.”
“Da ist noch mehr.” Aus Begeisterung über ihre eigenen Ideen überschlug sich ihre Stimme beinahe. “Ich werde die Leser bitten, Kitty zu helfen, das Rätsel zu lösen, indem sie dem
Herald
ihre Gedanken und Vorschläge schicken. Alle paar Tage suche ich die besten Ideen aus und lasse sie in Kittys Ermittlungen einfließen.” Besorgt, dass sie ihn noch nicht völlig überzeugt haben könnte, setzte sie hinzu: “Stell dir doch nur mal vor, was diese Einbindung der Leser für deine Auflage bedeuten könnte. Falls du noch weitere Argumente benötigst …”
E.J. lachte. “Okay, okay, du hast gewonnen. Wir bringen ab Montag ‘Wer tötete Mona Gray?’ – Zufrieden?”
Zoe gab ihm einen schmatzenden Kuss auf die Wange. “Danke, E.J. Du bist der Beste.”
Das Restaurant
Lotus
war eine der Perlen in China Town. Ein Restaurantkritiker hatte das
Lotus
vor ein paar Jahren zufällig entdeckt und mit einem Viersternerestaurant verglichen. Das Lob war verdient, denn Lizzy war sowohl talentiert als auch erfinderisch. Während sie auf der Karte viele Standardgerichte anbot, integrierte sie darüber hinaus immer wieder Speisen, die ungewöhnlich und wirklich einzigartig waren.
Das Experiment wurde ein voller Erfolg. Bereits am ersten Geburtstag war das
Lotus
das Restaurant, wo man hingehen musste. Auf Wochen im Voraus ausgebucht, brummte das Geschäft jeden Tag von mittags bis Mitternacht.
Die Atmosphäre machte einen genauso großen Teil des
Lotus
aus wie das Essen. Lizzys Bruder Jimmy arbeitete gemeinsam mit ihr in der Küche, während ihre Mutter Lao die Kasse machte und Lizzys jüngere Schwestern, Suzie und Judy, bedienten. Eine harmonische Kombination – zumindest die meiste Zeit. Bei den seltenen Gelegenheiten, an denen die Gemüter sich erhitzten, wurde das
Lotus
zum Schauplatz einer temperamentvollen Darbietung, bei der alle Familienmitglieder wild gestikulierend auf Englisch und Chinesisch durcheinandersprachen.
Madame Min, wie jeder das Familienoberhaupt nannte, erblickte Zoe in dem Moment, als sie durch die Tür trat. Sie war eine winzige Frau mit kurzen schwarzen Haaren und einem Gesicht, das weit vor seiner Zeit gealtert war. Ein breites Lächeln vertiefte die Falten um ihre Augen, als sie Zoe von der Kasse aus zuwinkte.
“Komm her und lass dich umarmen”, sagte sie. Zoe mochte den Singsang in ihrer Stimme. “Wie geht es dir, mein Mädchen? Lizzy hat mir erzählt, was passiert ist. Mach dir keine Sorgen, ja? Die Polizei wird deine Freundin finden.”
Bevor Zoe ihr erklären konnte, dass Lola nicht wirklich eine Freundin von ihr war, berührte Madame Min ihr Haar, das sie schon immer fasziniert hatte. “Du trägst deine Haare offen. Das gefällt mir.”
“Ich hatte keine Zeit, es zu einem Zopf zu flechten.” Das war eine Lüge.
“Hast du Hunger?” Madame Min machte sich immer Sorgen, dass Zoe nicht genügend aß. “Lizzy hat die kalten Nudeln gemacht, die du so magst. Es sind noch Berge übrig.”
“Ich bin nicht hungrig, aber trotzdem danke. Wenn es Ihnen nichts ausmacht …” Sie deutete in Richtung Küche.
“Na geh schon, sie wartet auf dich.”
Da die Mittagszeit sich dem Ende näherte, war es in der sonst so hektischen Küche relativ ruhig. Lizzy saß auf einem Hocker, die Augen geschlossen, die
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