Abbild des Todes
Hände hatte sie auf den Knien gefaltet. Ihr Brustkorb bewegte sich ruhig auf und ab, während sie gleichmäßig ein- und ausatmete. Sie glaubte an die Kraft der Meditation und nahm sich zwischendurch kleine Pausen, in denen sie zur Ruhe kam, um zu ihrer Mitte zu finden, wie sie es nannte. Diese mentalen Übungen erlaubten es ihr, den Tag voller Kraft und Schwung zu bewältigen.
Sie war ein hübsches Mädchen, mit dem dicken schwarzen Haar ihrer Mutter, mandelförmigen Augen und zarten Gesichtszügen. In den vergangenen Jahren hatte sie viele Verehrer, einige davon hatten sogar die Zustimmung von Madame Min gefunden. Aber Lizzy war zu beschäftigt, um mehr als eine kurze Romanze zuzulassen.
“Führt man so eine Küche?”, fragte Zoe, als sie eintrat.
Lizzy öffnete die Augen. Trotz der abrupten Unterbrechung sah sie so frisch und erholt aus, als ob sie gerade aus einem zweistündigen Mittagsschläfchen erwacht wäre. Elegant wie ein Schwan glitt sie vom Hocker. “Meinst du, dass du es besser kannst?”
“Nur in meinen Träumen.” Die Frauen küssten sich auf beide Wangen.
“Wie wär’s mit einer Kleinigkeit zu essen?”, fragte Lizzy. “Ich habe diese Nudeln gemacht, die du so gerne isst. Und wir haben noch eine halbe Pekingente übrig.”
Zoe lachte. “Du bist wirklich die Tochter deiner Mutter.”
Lizzy hatte bereits einen Teller gegriffen. “Was soll’s sein? Nudeln? Pekingente? Beides?”
“Gar nichts, danke. Ich habe keinen Hunger. Aber eine Tasse Tee wäre toll.”
Jimmy, der Lizzy so ähnlich sah, dass er ihr Zwilling hätte sein können, schob sie sanft in Richtung des Esstischs, der in einer Nische stand. “Sosehr ich es auch liebe, zwei zauberhafte Frauen in meiner Küche zu haben … wenn ihr nicht zur Arbeit eingeteilt werden wollt, setzt ihr euch lieber da hinten hin.” Er lächelte. “Und es ist mir eine Freude, Ihnen einen Tee bringen zu dürfen, meine Dame.”
Lizzy verdrehte die Augen. “Kümmere dich nicht um ihn. Er ist im Moment schwer verliebt.”
“Jimmy! Wer ist die Glückliche?” Aber Jimmy war schon außer Hörweite.
“Er sagt es nicht, nicht einmal unserer Mutter, was sie vollkommen verrückt macht. Du weißt ja, was für ein Kontrollfreak sie ist. – Du siehst müde aus”, fügte sie hinzu, nachdem sie sich gesetzt hatten. “Machst du dir immer noch Sorgen um die geheimnisvolle Frau?”
“Da es sonst ja niemand tut …”
“Weigert die Polizei sich immer noch, ihr Verschwinden zu untersuchen?”
“Sie können nichts tun, solange niemand sie als vermisst meldet.”
“Was ist mit ihrem Agenten?”
“Der zählt nicht. Er hat sie schon seit Monaten nicht mehr gesehen.”
Jimmy kam zurück. Auf einem Tablett balancierte er eine Teekanne und zwei Tassen aus feinstem Porzellan mit passenden Untertellern – Becher oder Teebeutel kamen ihm nicht in die Küche. “Da kann man ja gleich aufgegossene Zitronen aus der PET-Flasche trinken”, hatte er Zoe einmal erklärt.
“Danke, Jimmy. Das duftet himmlisch.”
Erfreut verbeugte er sich und verschwand wieder.
“Was willst du jetzt tun?”, fragte Lizzy, als sie den Tee einschenkte.
Zoe erzählte ihr von dem neuen Comic, doch anstatt der erwarteten Zustimmung erntete sie von ihrer Freundin nur ein Kopfschütteln.
“Ich weiß nicht, Zoe. Was ist, wenn du recht hast und Lola ermordet wurde? Und der Mörder ist da draußen, liest deine Geschichte und bekommt Angst, enttarnt zu werden?”
“Was soll er schon tun? Kitty töten?”
“Oder dich.”
“So blöd wird er nicht sein. Im Moment denkt er, dass er das perfekte Verbrechen begangen hat. Das wird er nicht aufs Spiel setzen.” Da sie die Unterhaltung nicht fortführen wollte, nahm sie ihren kaputten Schuh und den Absatz aus der Tasche und legte beides auf den Tisch.
“Das nenne ich mal eine echte Herausforderung.” Lizzy nahm den ruinierten Absatz und drehte ihn in ihrer Hand. “Du hast Glück, dass mein Onkel An nicht nur ein einfacher Schuhmacher ist, sondern ein Magier.”
Mit einem Teller Nudeln in der Hand kam Jimmy zu ihnen zurück. Er stellte den Teller vor Lizzy auf den Tisch. “Befehl von Mutter”, sagte er. “Wenn du das nicht isst, werde ich dieses Gebäude nicht lebend verlassen.”
8. KAPITEL
“W as hast du gemacht, dass du auf einmal so beliebt bist?” Beim Klang von Lennys Stimme blickte Rick von dem Stapel Rechnungen vor ihm auf dem Tisch auf. “Wer will mich denn jetzt sehen?”
“Detective Joe Santos vom
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