Abbild des Todes
den Grund ihres Anrufs nannte.
“Miss Foster, dieser Mord liegt außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs.”
“Nicht unbedingt. Wenn der Vorfall mit dem Heckenschützen auch mit Lola Malones Verschwinden in Verbindung steht – und Sie haben zugestimmt, dass dem so sein könnte –, dann wäre es bei dem Mord an Rudy Goldberg ebenfalls möglich.”
“Wie kommen Sie zu dieser Schlussfolgerung?”
“Ganz einfach. Jetzt, wo Rudy tot ist, gibt es niemanden mehr, der den Obdachlosen identifizieren könnte, der ihm Lolas Anhänger verkauft hat – den Mann, der uns sagen könnte, wo er ihn gefunden hat.”
“Lola Malone hätte diesen Anhänger schon vor ihrem Verschwinden verlieren können.”
“Das ist mir klar. Doch was ist, wenn er ihn in der Gasse gefunden hat, in der sie gestorben ist? Was ist, wenn er gesehen hat, was in der Nacht geschehen ist? Ich weiß, dass die Wahrscheinlichkeit nicht sonderlich groß ist, aber können Sie es sich leisten, dies zu ignorieren?” Als er nicht antwortete, setzte sie hinzu: “Alles, was ich wissen möchte, ist, ob der Anhänger an der Kette war, die den Goldbergs gestohlen wurde. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder, Detective? Sie brauchen für die Antwort nur ein Telefonat zu führen.”
“Ich freue mich, dass Sie so viel Vertrauen in mich setzen, Miss Foster.”
Seine Stimme troff vor Sarkasmus, aber das war ihr egal. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um empfindlich zu sein. “Werden Sie nachfragen?”
“Ich werde ein paar Anrufe tätigen.”
“Und sagen Sie mir Bescheid?”
“Werden Sie dann aufhören, mich zu belästigen?”
“Ja”, schwindelte sie.
20. KAPITEL
R ay Dougherty stand in seiner Küche, trank Kaffee und schaute aus dem Fenster über die glitzernd blaue San Diego Bay. Nach über zwanzig Jahren in dieser idyllischen Stadt konnte er immer noch nicht genug bekommen von dem entspannten Lebensstil, dem perfekten Wetter und den vielen Festivitäten, die das ganze Jahr über veranstaltet wurden.
Er war glücklich, dass er niemandem gegenüber verantwortlich war außer sich selbst. Haushaltswaren zu verkaufen war vielleicht nicht der glamouröseste Job der Welt, aber ein eigenes Geschäft zu besitzen war Gold wert. Zum einen erlaubte es ihm, das zu tun, was er wollte und wann immer er wollte. Er konnte sich einfach einen Tag freinehmen, so wie heute, und einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachgehen – Bowling, Hochseefischen, eine Partie Canasta mit seinem besten Freund Lou Agnelli –, ohne sich vor irgendjemandem rechtfertigen zu müssen.
Das Geschäft hatte es ihm außerdem ermöglicht, ein Apartment mit einem der besten Ausblicke der Stadt zu kaufen, auch wenn der Blick nicht der einzige Grund war, warum er sich für gerade diese Wohnung entschieden hatte. Genauso gut gefielen ihm die Anonymität und Privatsphäre, die der Apartmentblock ihm bot. Die meisten Mieter im Haus an der Island Avenue waren junge Berufstätige, die viel zu beschäftigt waren, um sich um den über fünfzigjährigen Mieter aus dem zweiundzwanzigsten Stock zu kümmern.
Wenn sie es getan hätten, wären sie erstaunt gewesen herauszufinden, dass Ray Dougherty mit richtigem Namen eigentlich Tony Marcino hieß und einmal Teil einer einflussreichen Verbrecherfamilie in Philadelphia gewesen war. Außerdem war er der stolze Vater eines hübschen, damals dreijährigen Mädchens und treu sorgender Ehemann einer wunderbaren Frau gewesen. Beide liebte er bis heute abgöttisch.
In diesen früheren Tagen in Philadelphia hätte Tony alles für seine Familie getan, aber das eine, was sich seine Frau am meisten wünschte, konnte er nicht tun – die Bande verlassen, nach New York zurückziehen und sich eine Arbeit suchen, auf die alle stolz sein konnten.
Stephanie hatte ihn oft darum gebeten, und Tony konnte ihr diese Bitte nie erfüllen. Mitglieder von Verbrecherfamilien verließen die Organisation nicht einfach von heute auf morgen – außer auf einer Bahre. Es zu versuchen hieß, sein eigenes Todesurteil zu unterschreiben. Darum hatte er seinen Job als Anwalt von Frank “Der Wal” Scolini behalten und gehofft, dass Stephanie irgendwann die Weisheit seiner Entscheidung erkennen würde.
Doch das Glück hatte er nicht. An Angies drittem Geburtstag wurde Frank verhaftet und verschiedener Verbrechen angeklagt. Die Bandbreite reichte von Bandenkriminalität bis Mord. Ein paar Tage später wurde Franks Stellvertreter von einer rivalisierenden Familie erschossen,
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