Abbild des Todes
sprechen. Ich habe ihre Anrufe ignoriert, und nun ist sie tot.”
“Oh, Liebling, das klingt ja so, als wäre es dein Fehler gewesen.” Catherine schnalzte ungeduldig mit der Zunge. “Warum kommst du nicht hierher und verbringst ein paar Tage mit mir? Deine Comics kannst du doch auch von hier aus zeichnen, oder? Und du könntest mir helfen, das Haus zu dekorieren. Es gehört dieses Jahr wieder zum weihnachtlichen Schmückwettbewerb. Ich wollte ja eigentlich nicht, aber Helen Frankel von der Handelskammer hat darauf bestanden.”
“Und du wärst enttäuscht gewesen, wenn sie es nicht getan hätte.”
Catherines perlendes Lachen hallte über die Entfernung hinweg durch die Leitung. “Du kennst mich einfach zu gut. Sag, dass du kommst, Zoe”, fügte sie im gleichen Atemzug hinzu. “Ich möchte mit eigenen Augen sehen, dass du heil und gesund bist.”
“Ich kann jetzt nicht weg, Mom. Ich habe zu viel zu tun. Aber ich komme zu Weihnachten, wie geplant.”
Catherine konnte einen kleinen Seufzer der Enttäuschung nicht unterdrücken. “Na gut, dann will ich nicht weiter drängeln. Wirst du Joe mitbringen?”
“Joe ist Weihnachten bei seiner Familie.” Zwar wusste ihre Mutter das, trotzdem versuchte sie es jedes Jahr aufs Neue.
“Wie läuft es denn zwischen euch beiden? Bist du endlich vernünftig geworden?”
Zoe rollte mit den Augen. Das war die nicht sonderlich subtile Art ihrer Mutter, ihr zu sagen, dass sie dumm war, sich einen Kerl wie Joe Santos durch die Lappen gehen zu lassen. Aus diesem Grund hielt sie es für besser, den Kuss gar nicht erst zu erwähnen, bis sie sich entschieden hatte, was ihr dieser Kuss eigentlich bedeutete.
“Du bist unverbesserlich, Mom.”
“Das beantwortet nicht meine Frage.”
“Sorry, Mom, ich muss jetzt los, ich bin mit meinem Comic schon Tage im Rückstand. Hör auf, dir Sorgen zu machen, ja? Bis bald, Küsschen.” Sie hauchte einen Kuss in den Hörer und legte auf, bevor ihre Mutter Gelegenheit hatte, noch etwas zu sagen.
Das Telefonat mit ihrer Mutter hinterließ ein leichtes Schuldgefühl bei Zoe, jedoch nicht ihrer Mutter, sondern Joe gegenüber. Catherine war nicht die Einzige, die darauf hoffte, dass die Freundschaft zwischen Zoe und Joe sich zu etwas Romantischerem entwickeln würde. Sie selbst wünschte es sich auch und wusste, dass sie schon sehr lange und gründlich würde suchen müssen, um einen treueren Mann als ihn zu finden. Sogar Rick war – selbst am Anfang – nicht so bedingungslos für sie da gewesen wie Joe. Der Zwischenfall mit dem Heckenschützen hatte das wieder einmal bewiesen. Ohne zu zögern, hatte er alles stehen und liegen lassen und war sofort zu ihr geeilt. So war er einfach. In den letzten fünf Jahren hatte sie sich auf ihn verlassen, ihm vertraut und sich selbst immer wieder gesagt, dass er vermutlich die beste Partie in der ganzen Stadt war. Sie fühlte sich von ihm respektiert. Sie fühlte sich gut. Ab und zu, wenn sie alleine in der Wohnung war und sich ein wenig einsam fühlte, stellte sie sich vor, wie es wäre, mit ihm als Mann und Frau zusammenzuleben.
Wie wäre es, Mrs. Joe Santos zu sein?
Wie viel anders wäre es, als Mrs. Rick Vaughn zu sein?
Genervt, dass sie es ihrem Exmann schon wieder erlaubt hatte, sich in ihre Gedanken zu schleichen und den Moment zu zerstören, ging sie in die Küche und schaute nach, was sie sich zum Abendessen machen könnte. Die Auswahl war dürftig – ein paar Reste vom chinesischen Essen, verschiedene Joghurts, ein halbes Dutzend Eier und ein Viertelliter Milch.
Sie entschied sich für eine Schüssel Cornflakes.
19. KAPITEL
D as Erste, was Rick Vaughn am Mittwochmorgen sah, als er den
Herald
aufschlug, war ein Foto von Zoe auf der Titelseite. Die Bildunterschrift lautete:
Beliebte Cartoonistin entgeht nur knapp einem Anschlag.
Er las den Artikel gar nicht erst zu Ende. Sobald er begriffen hatte, dass jemand auf Zoe geschossen hatte, war er am Telefon und wählte die Nummer, die Joe Santos ihm hinterlassen hatte.
Es dauerte eine Weile, bis er mit ihm verbunden war, und als er ihn in der Leitung hatte, klang Joes Stimme äußerst grimmig. “Santos hier.”
“Ich dachte, dass Sie dafür sorgen wollten, dass Zoe nichts passiert”, fuhr Rick ihn wütend an.
“Großer Gott, Vaughn, ich kann nicht vierundzwanzig Stunden am Tag auf sie aufpassen.”
“Also lassen Sie sie lieber erschießen?”
“Sie wurde nicht erschossen. Die Kugel kam nicht einmal in ihre Nähe.”
“Wer
Weitere Kostenlose Bücher