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Abbild des Todes

Abbild des Todes

Titel: Abbild des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Heggan
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zu nennen … “Meine Mutter hat gehört, dass seine Eltern an Weihnachten eine Kreuzfahrt machen und er nicht nach Florida fliegt wie sonst immer. Das ist der einzige Grund, warum sie ihn eingeladen hat.”
    “Armer reicher Junge”, spottete Joe. “So viel Kohle und keinen Platz, um sie auszugeben.”
    Sie gab ihm einen Klaps auf den Arm. “Sei nicht so.”
    “Er hat doch damit angefangen. Schreit seine Zusage so laut, dass die ganze Welt es hören kann. Hätte er damit nicht warten können?”
    “Ja, das hätte er, und glaub nicht, dass er dafür von mir nicht noch etwas zu hören bekommt. Aber können wir Rick jetzt bitte vergessen und uns auf die Einkäufe konzentrieren? Ich will dir zeigen, was ich mir zu Weihnachten wünsche.”
    Die nächsten beiden Stunden verbrachten sie damit, von einem Geschäft zum nächsten zu gehen, sich aufgeregt wie Kinder die zauberhafte Schaufensterdekoration bei
Macy’s
anzusehen und sich eine Tüte Maronen zu teilen, die Joe an einem Straßenstand gekauft hatte. Beim Rockefeller Center legten sie eine Pause ein, um den Schlittschuhfahrern zuzusehen, die mal mehr, mal weniger elegant über die Eisfläche unter dem riesigen Weihnachtsbaum glitten.
    Sie war froh, dass ihre Freundschaft wieder die alte war, trotz Ricks Versuch, sie zu erschüttern. Und wenn sie ehrlich war, genoss sie es sogar ein bisschen, dass zwei so tolle Männer um sie kämpften.
    Kurz darauf standen die beiden im Greenwich-Village-Viertel vor dem Schaufenster eines Juweliers und diskutierten, ob Joes jüngerer Schwester eher die Kette mit dem goldenen Kreuz gefallen würde oder der goldene Armreif, als Zoe mitten im Satz innehielt.
    In dem Eingang zum Haus nebenan saß zusammengekauert ein Mann und sah sie aus rot unterlaufenen Augen an. Er trug mehrere Lagen zu großer Kleidung, Wollhandschuhe mit abgeschnittenen Fingern und eine schmutzige Wollmütze. Eng an seine Brust gedrückt hielt er eine grüne Abfalltüte, die, wie Zoe vermutete, wohl seinen ganzen Besitz enthielt.
    Er beobachtete sie mit einer eigenartigen Intensität – beinahe als würde er sie kennen, was durchaus möglich war. Auch wenn sie versucht hatte, jegliche Publicity zu vermeiden, hatte sie nicht verhindern können, dass ihr Bild alle zwei Minuten im Fernsehen gezeigt worden war. Selbst ein Obdachloser ohne Fernseher konnte sie auf irgendeinem Fernseher in einem Schaufenster gesehen haben.
    Sie fühlte Mitleid für ihn in sich aufwallen. Das Leben in der Stadt war schon hart genug für die vielen Obdachlosen, die die Straße ihr Zuhause nannten, aber um die Weihnachtszeit musste es für sie noch viel schwieriger sein. Schnell griff sie in ihre Tasche und zog eine Handvoll Eindollarscheine hervor. Lächelnd ging sie auf ihn zu und hielt das Geld so, dass er es sehen konnte.
    Unvermittelt sprang der Mann auf die Füße und rannte davon.
    “Laufen Sie nicht weg! Ich wollte doch nur …”
    Joe drehte sich um. “Was ist los? Mit wem redest du?”
    Zoe fühlte sich auf einmal, als wenn der Himmel über ihr zusammenstürzte. “Oh mein Gott!”
    “Was? Was ist?”
    “Der Obdachlose da.” Sie zeigte in die Richtung des fliehenden Mannes. “Ich weiß, wer er ist.”
    “Wer?”
    “Er ist derjenige, der Rudy Goldberg Lolas goldenen Anhänger verkauft hat. Du musst ihn aufhalten, Joe.”
    “Bist du sicher, dass er es ist?”
    “Na ja, nicht sicher, aber … fast sicher. Beeil dich, Joe, bitte. Ich muss mit ihm sprechen.” Sie gab ihm einen leichten Schubs. “Lass ihn nicht entkommen.”
    “Zoe, bist du verrückt geworden? Ich kann ihm nicht hinterherlaufen. Es gibt Gesetze gegen diese Art von Belästigung.”
    “Ich will doch nur wissen, ob meine Ahnung richtig ist. Und wenn, dann will ich mit ihm reden.” Als Joe immer noch keine Anstalten machte, dem Mann nachzusetzen, reichte sie ihm ihre Einkaufstüten. “Hältst du die bitte mal?”
    “Warum?”
    “Wenn du ihm nicht folgst, mache ich es.”
    Joe rollte mit den Augen. “Was ich für dich nicht alles tue”, seufzte er, wandte sich um und rannte los. Sie folgte ihm, allerdings langsamer. Der fliehende Mann lief genauso schnell, drehte sich nur von Zeit zu Zeit um und starrte sie entsetzt an.
    Als letzte Maßnahme rief Joe: “Halt! Polizei!”
    Zoe sah mit Bestürzung, wie Joe im Zickzack zwischen den Passanten hindurchlief und schließlich mit einer Frau zusammenprallte, deren Einkaufstüten sich über den ganzen Bürgersteig verteilten.
    “Ich kümmere mich darum”,

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