Abbild des Todes
erneuter Besuch beiden gut.”
Frieda sah Zoe kaum an, als diese mit Rick zusammen um kurz nach elf Uhr am Donnerstagmorgen das Zimmer betrat. Zoe legte eine Schachtel Godiva-Schokolade auf das Fensterbrett, so dass Frieda sie sehen konnte, und setzte sich.
Die alte Dame betrachtete die festliche Packung mit der roten Schleife und den gefrosteten Beeren, während Zoe den Atem anhielt und auf einen erneuten Anfall wartete. Doch Frieda blieb ruhig.
“Hallo, Frieda”, sagte sie freundlich. “Erinnern Sie sich an mich?”
“Nein.” Ihre Stimme blieb ausdruckslos. “Ich warte auf Lola.”
“Lola kann nicht kommen. Ich bin ihre Freundin, Zoe.”
“Warum kommt sie nicht?” Sie schaute von Zoe zu Rick. “Fühlt sie sich nicht wohl?” Sie warf einen verstohlenen Blick zur Tür, als wollte sie sichergehen, dass niemand lauschte. Dann beugte sie sich zu Zoe hinüber. “Leidet sie immer noch unter morgendlicher Übelkeit?”, fragte sie flüsternd.
Zoe und Rick warfen sich einen erstaunten Blick zu. “Morgendliche Übelkeit?”, wiederholte Zoe verständnislos.
Frieda blickte sie misstrauisch an. “Was für eine Freundin sind Sie, wenn Sie nicht mal wissen, dass sie schwanger ist?”
Lola war schwanger?
Diese Nachricht machte Zoe sprachlos. Eine Schwangerschaft warf natürlich eine ganze Reihe neuer Probleme auf, vor allem, wenn der Vater ein verheirateter Mann war. Sie dachte an den Hinweis, den ihr Lonesome Me vor gar nicht allzu langer Zeit geschickt hatte. Vielleicht hatte Mona jemanden erpresst – einen ehemaligen Liebhaber?
Eine Schwangerschaft bedeutete aber auch, dass es möglicherweise einen Arzt gab, den sie aufgesucht hatte. Dann gäbe es eine Patientenakte, Bluttests. Vielleicht sogar einen Hinweis auf den Vater.
“Sie hat es mir nicht erzählt”, antwortete Zoe schließlich.
“Es ist ein Geheimnis.” Frieda hatte ihre Stimme wieder gesenkt. “Sie wollte nicht, dass irgendjemand davon erfährt.”
“Frieda.” Zoe nahm den gleichen verschwiegenen Tonfall an. “Hat Lola Ihnen den Namen des Vaters gesagt?”
Aber Frieda schenkte Zoe bereits kein Interesse mehr. Sie beobachtete Rick mit skeptischem Blick. “Was hast du mit deinen Haaren gemacht?”, fragte sie.
Rick fuhr sich mit der Hand durch den hellbraunen Schopf. “Nichts, wieso?”
“Es sieht anders aus.”
“Wie anders?”, fragte Zoe.
Frieda ignorierte die Frage. “Vielleicht wird das Baby dir ähnlich sehen”, sagte sie, den Blick unverwandt auf Rick gerichtet. “Das würde mir gefallen. Habe ich dir das vorher schon mal gesagt? Oder vielleicht habe ich es auch Lola erzählt. Das Baby soll aussehen wie du, wenn es ein Junge wird, und wie Lola, wenn es ein Mädchen ist.”
Zoe hatte Schwierigkeiten, das Gehörte zu verarbeiten. Konnte etwas Wahres dran sein an dem, was Frieda erzählte? Oder war es nur das Gerede einer dementen alten Frau? Sie wollte Frieda weiter befragen, aber Lolas Tante hatte ihre Aufmerksamkeit auf die weiße Schneefläche vor ihrem Fenster gerichtet. Ein sicheres Zeichen, dass sie nicht mehr mit der realen Welt verbunden war. Als Zoe leise ihren Namen sagte, erhielt sie keine Reaktion.
Eine Hand berührte Zoes Schulter. Sie drehte sich um und sah Dr. Keefer hinter sich stehen. Er war weitaus liebenswürdiger als bei ihrem letzten Besuch. “Ich habe vom Tod Ihres Vaters gehört, Miss Foster. Mein tiefstes Beileid.”
“Ich danke Ihnen.” Sie blickte zu Frieda. “Ich fürchte, dass ich nicht viel erreicht habe.”
“Oh, ich weiß nicht. So ruhig habe ich sie seit Tagen nicht mehr gesehen.”
“Ich könnte wiederkommen”, bot Zoe an.
“Das wäre sehr freundlich von Ihnen. Ich rufe Sie gerne an, wenn es eine Veränderung gibt. Haben wir Ihre Nummer?”
Rick stand auf, um zu gehen. “Sie haben meine.”
Zoe und Rick hatten kaum die Eingangstür hinter sich gelassen, als sie sich zu ihm umdrehte. “Wusstest du, dass Lola schwanger war?”
“Wie sollte ich? Ich bin zwar ein Freund, aber nicht ihr Vertrauter.” Er öffnete die Tür auf der Beifahrerseite, um Zoe einsteigen zu lassen. “Und überhaupt, wie sehr kann man dem trauen, was Frieda erzählt? Denk doch nur mal an den Kommentar über meine Haare. Sie hat mich schon Dutzende Male gesehen und nie ein Wort darüber verloren.”
“Ja. Warum hat sie diesen Kommentar wohl gemacht?”
“Das ist offensichtlich. Sie hat mich für jemand anderen gehalten – einen Pfleger oder einen der anderen vier Ärzte im
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