Abby Cooper 01 - Detectivin mit 7. Sinn
hat, ihn rauszuwerfen. Er arbeitet so schlampig, da ist es kein Wunder, dass die Akte nie zu uns gelangt ist. Ich schätze, sie war überhaupt nicht falsch abgeheftet, sondern hat seit Monaten auf dem Grund eines Stapels auf seinem Schreibtisch geruht.«
»Das ist ein Witz, oder?«
»Ich wünschte, es wäre einer«, antwortete Dutch. »Leider ist das nicht das erste Mal.«
Ich sah Bennington durch die Glastür hinterher, und in mir kochte Wut hoch. Wäre Bennington nicht gewesen, hätte Dutch vielleicht Alyssas Fall untersucht. Vielleicht hätte er den Mörder rechtzeitig ermittelt und Allison retten können. Nachdem mich diese düsteren Gedanken eine Weile beschäftigt hatten, drückte Dutch meine Hand und holte mich in die Wirklichkeit zurück.
»He«, meinte er sanft, und ich sah ihn an. »Wir müssen uns auf den Fall konzentrieren. Wir dürfen keine Zeit verplempern und mit dem Finger auf andere zeigen. Ich werde mich hinterher mit Bennington befassen.«
Ich nickte, und Dutch schlug die Akte auf. Er blätterte sie nach und nach durch. Ich überflog die Vermerke und Fotos. Es gab einige ziemlich plastische Aufnahmen vom Tatort, bei denen sich mir der Magen umdrehte. Ich riss mich aber zusammen und zwang mich weiterzumachen. Die Eintrittswunde war unter dem Kinn, es war ein Schuss aus nächster Nähe gewesen, aber bei einem der Fotos fiel mir auf, dass Alyssas Kopf eigentümlich verdreht war. Es sah aus, als hätte sie eigentlich auf der einen Seite gelegen und der Kopf wäre nach dem Schuss zur anderen Seite gedreht worden.
Die Schusswaffe war auf dem Boden liegen gelassen worden, und Alyssas Hand hing über die Bettkante herab, als wäre sie ihr aus den Fingern gerutscht. Es gab noch andere Fotos: von einem Hochzeitskleid, das zerrissen und zerknüllt in der Ecke lag, eine Nahaufnahme von dem Abschiedsbrief auf der Kommode, eine Aufnahme des Raumes von der Tür aus. Dabei sprang mir etwas ins Auge. Ich fasste nach Dutchs Arm und deutete auf das Fenster, bei dem das Fliegengitter gefehlt hatte. Es stand weit offen, die Vorhänge waren vom Wind nach draußen geweht worden. Das zweite Fenster an dieser Wand stand ebenfalls offen, aber dessen Fliegengitter war an seinem Platz und hatte verhindert, dass die Vorhänge hinausgeweht wurden.
Dutch betrachtete die Aufnahme mit undurchschaubarer Miene. Schließlich sah er mich an und sagte: »Abby, ich glaube, du bist da auf etwas gestoßen. Die ganze Szene sieht arrangiert aus.«
Wir wandten uns den übrigen Aktenstücken zu. Dutch griff hinter das letzte Blatt und zog einen Klarsichtbeutel heraus, in dem zwei Stücke Papier steckten. Eines war der Abschiedsbrief, das andere ein Einkaufszettel. Ich betrachtete ihn neugierig. »Warum liegt der Einkaufszettel dabei?«
»Zur Handschriftenanalyse. Wir hätten den Abschiedsbrief mit einem Schriftstück vergleichen lassen, das ganz eindeutig von Alyssa stammte.«
Ich begutachtete die beiden Handschriften durch die Plastikhülle und konnte sofort sehen, dass sie identisch waren. Alyssa hatte beides geschrieben. Ich wartete, dass Dutch den Brief herausnahm, damit wir ihn klarer sehen konnten. Aber er stand zuerst auf und holte aus einem Nachbarschreibtisch eine große Pinzette. Dann öffnete er die Klarsichtbeutel, zog die beiden Schriftstücke damit heraus und legte sie nebeneinander auf die Schreibunterlage. Die Schrift war groß und rundlich. Bei dem Abschiedsbriefbegann sie dicht unter dem oberen Rand. Ich beugte mich näher heran.
ich bin überzeugt, dass diese Ehe scheitern würde. Ich habe versucht, treu zu sein, ich habe versucht, ehrlich zu sein, aber ich glaube nicht, dass wir füreinander bestimmt sind. Wir müssen es jetzt beenden, ich will frei sein. Bitte lass mich gehen. Mir tut das alles so leid. Bitte vergib mir.
In Liebe Alyssa
Dutch drehte den Brief mit der Pinzette um, aber auf der Rückseite stand nichts. Der Text war nichtssagend knapp, und das ergab keinen Sinn. Warum sollte eine Frau, die sich die Mühe machte, ihr Hochzeitskleid zu zerreißen, den Abschiedsbrief auf fünf knappe Sätze beschränken? Das zerrissene Kleid deutete auf Wut hin, aber der Brief klang lediglich bedauernd. Während ich ihn betrachtete, wanderte mein Blick immer wieder zum oberen Rand und blieb schließlich daran hängen. Mir dämmerte etwas, und ich holte überrascht Luft.
»Was ist?«, fragte Dutch.
Aufgeregt zeigte ich auf das erste Wort. »Dutch, sieh dir das an. Es ist klein geschrieben. Das ist kein großes I,
Weitere Kostenlose Bücher