Abby Cooper 01 - Detectivin mit 7. Sinn
das ist ein kleines i, bei dem der Punkt fehlt. Sieh mal, hier unten fehlt auch der i-Punkt und hier auch. Dutch, ich glaube, der erste Satz ist das Ende eines längeren Satzes von der vorigen Seite, und dieses Stück Papier ist das letzte Blatt eines längeren Briefes!«
Dutch betrachtete die Stelle genauer, dann hielt er das Papier mit der Pinzette gegen das Licht. Man sah tatsächlich, dass von einem anderen Blatt etwas durchgedrückt war, aber ob vom Briefanfang oder von etwas ganz anderem, war nicht zu sagen. Dutch blätterte die Akte durch und prüfte die Fotos, aber von einem zweiten Blatt war nichts zu sehen. Er schlug das Protokoll vom Verhör mit Marco auf, das gleich nach dem Leichenfund stattgefunden hatte. Danach war er so von Trauer überwältigt gewesen, dass er den Abschiedsbrief gar nicht wahrgenommen hatte.
»Siehst du? Ich hab’s ja gesagt«, meinte ich triumphierend. »Alyssa wurde ermordet, von jemandem, der ihr nahegestanden hat. Allison muss dem Mörder auf die Schliche gekommen sein und hat ihn damit konfrontiert, dann hat er sie auch umgebracht, um sie zum Schweigen zu bringen!« Vor lauter Aufregung war ich aufgesprungen und schritt auf und ab wie ein zweiter Perry Mason.
»Abby, das sind ziemlich kühne Schlüsse, die du da ziehst«, wandte Dutch geduldig ein. »Im Augenblick haben wir nichts weiter als einen verdächtigen Leichenfundort. Ich gebe zu, er sieht manipuliert aus, aber ich bin noch nicht bereit, das als Mordfall zu betrachten.«
Das brachte meinen Ballon zum Platzen. »Menschenskind, was brauchst du denn noch?«, fragte ich aufgebracht.
»So was wie ein Geständnis?«, schlug er vor. »Handfeste Beweise. Ich werde die Akte ins Labor geben und den Abschiedsbrief untersuchen lassen. Vielleicht lassen sich diese Abdrücke entziffern. Du könntest recht haben, und das ist die zweite Seite. Du kannst dich aber auch irren, und der Brief ist so zusammenhangslos wie ein Einkaufszettel. Warten wir erst mal das Laborergebnis ab, okay?« Damit klappte er die Akte zu, stand auf und bedeutete mir mitzukommen.
»Wie lange wird das dauern?«, fragte ich und griff nach meiner Handtasche.
»Ein paar Wochen ...«, antwortete er und lief eilig die Treppe hinunter.
»Wie bitte? Was soll das heißen? Wir können nicht wochenlang warten!«, rief ich aufgebracht.
Dutch war schon am Ende der Treppe. Als er auf die Tür zuging, drehte er sich zu mir um und fragte: »Abby, was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Das Labor ist bis zur nächsten Eiszeit mit Arbeit eingedeckt; das geht alles schön der Reihe nach. Wir haben Glück, wenn wir das Ergebnis bis Weihnachten kriegen.«
Mir blieb der Mund offen stehen. Das konnte er nicht ernst meinen. »In fünf Monaten?! So lange kann ich nicht warten! Ich muss den Scheißkerl schneller kriegen!«
Dutch sah mich mitfühlend an. Wahrscheinlich kannte er diese Ungeduld von den Hinterbliebenen anderer Mordopfer.
»Abby, hör mir zu«, bat er. »Die Ermittlungsarbeit muss bestimmten Regeln folgen, die ich nicht außer Acht lassen darf, sonst können die Täter auf Formfehler pochen und müssen freigelassen werden. Also, ich gebe zu, du bist da auf etwas gestoßen, aber ich muss den Indizien folgen. Wenn die mich in eine andere Richtung führen und ich feststelle, dass man jemand anders des Mordes an Allison verdächtigen muss, dann möchte ich, dass meine Ermittlungsmethoden einwandfrei sind.«
»Aber, Dutch, uns läuft die Zeit davon«, sagte ich, ohne eigentlich zu wissen, warum.
Dutch seufzte und rieb sich übers Gesicht, die gleiche frustrierte Geste wie auf dem Hof des Mazda-Händlers. »Ich habe einen Bärenhunger. Wie wär’s, wenn wir etwas essen gehen und uns dabei unterhalten? Was hältst du davon?«
Mein Magen knurrte wie aufs Stichwort. Mit hängenden Schultern gab ich nach. »Na schön«, sagte ich und ging mit ihm zu seinem Wagen.
Als ich mich anschnallte, tätschelte er mir den Kopf. »Braves Mädchen.« Ich überlegte, ob ich die Nase aus dem Fenster hängen und hecheln sollte.
Dutch fuhr zum Pronto’s, einem beliebten Straßencafe in Royal Oak. Wir entschieden uns, drinnen zu essen und nicht draußen in der glühenden Sonne. Im Pronto’s versammeln sich alle, die gerne gaffen, wenn das Wetter nicht mitspielt. Früher war das ausschließlich ein Schwulentreff, jetzt ist hier jeder willkommen und wird mit leckerer Hausmannskost verwöhnt. Die Auswahl auf der Karte entspricht einem Gourmetdeli, und ich habe dort noch nie
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