Abby Cooper 01 - Detectivin mit 7. Sinn
ich keine Erinnerung.
Später saß ich in einem weichen hellbraunen Ledersessel mit einer Wolldecke um die Schultern, einer Schüssel Obstsalat auf dem Schoß, und Dutch, der mir gegenübersaß, ermunterte mich zu essen.
»Wo bin ich?«, fragte ich benommen.
»Bei mir zu Hause. Nun iss«, sagte er freundlich.
Als ich in die Schüssel blickte, überfiel mich die Erinnerung, dass Mary Lou tot war. »Das ist meine Schuld«, sagte ich, und die Tränen begannen zu fließen.
»Abby ...«
»Ich hätte an ihrer Stelle da liegen sollen«, plapperte ich. Die Realität fand in meinen Schuldgefühlen einen grausamen Angriffspunkt.
Dutch rutschte vom Sofa, um sich vor mich zu hocken, fasste mein Kinn und sah mir in die Augen. »Niemand ist daran schuld, außer dem Schweinehund, der sie getötet hat«, sagte er. »Du hattest nichts damit zu tun. Sie war nur im falschen Moment in deinem Garten. Dafür kannst du gar nichts.«
Ich sah ihn an und fühlte mich hilflos und verloren. Am liebsten hätte ich mich unter der Decke verkrochen und die Welt ausgeblendet. Wie früher als Kind, wenn ich einen Film sah, der mir Angst machte, und nur noch durch einen Spalt in der Decke zum Fernseher spähte und mich in meinem Zelt vor dem Grauen sicher fühlte.
Dutch ließ mein Kinn los und griff auf dem Beistelltisch nach einem Papiertaschentuch, mit dem er mir die Augen abtupfte. Er zog die Decke dichter um mich, und plötzlich merkte ich, dass ich zitterte.
»Abby«, sagte er sanft, »du stehst unter Schock, und wenn du nichts von dem Obst isst, wird es bloß schlimmer. Dann muss ich dich ins Krankenhaus bringen, und das will ich nicht. Also iss bitte. Mir zuliebe.«
Ich schaute stumpfsinnig in die Schüssel, und weil mir zur Bockigkeit die Kraft fehlte, schaufelte ich gehorsam den Fruchtmix in meinen Mund, ohne dass ich etwas davon schmeckte.
Dutch setzte sich wieder und beobachtete mich, nahm mir schließlich, als ich aufgegessen hatte, die Schüssel ab. Das Zittern ließ bald nach, es ging mir tatsächlich besser, aber dann kam die Müdigkeit, und mir fielen immer wieder die Augen zu.
»Komm«, sagte Dutch und klopfte neben sich auf das Sofa. Ich schleppte mich zu ihm, hielt dabei mit den Fingern die Decke zusammen. Er legte einen Arm um mich, nahm mit der anderen Hand ein Sofakissen, das er auf seinen Schoß legte, und bettete meinen Kopf darauf. Ich zog die Beine aufs Sofa und die Knie an den Bauch. Als ich die Augen zumachte, hörte ich ihn sagen: »So ist es gut, Abby. Morgen geht es dir wieder besser.« Im nächsten Moment war ich eingeschlafen.
11
Als ich wach wurde, war es dämmrig im Zimmer. Das letzte Abendlicht drang durch die buttergelben Gardinen, die Dutch vor dem großen Fenster hängen hatte. Ich setzte mich auf und drehte den Kopf, weil ich Stimmen hörte. Dutch und Milo saßen in der Küche und unterhielten sich leise.
Ich musste ein paarmal blinzeln. Ich hatte mit Kontaktlinsen geschlafen, sodass sich meine Augen wie Sandpapier anfühlten. Als ich sie einigermaßen befeuchtet hatte, stand ich auf und sah mich um. Dutchs Haus war die totale Überraschung.
Mir war nicht ganz klar, was für eine Einrichtung ich erwartet hatte. Wahrscheinlich viel schwarzes Leder, schwarz lackierte Möbel, zerkratzte Sofatische mit Sportzeitschriften und einem Haufen Fernbedienungen für allen möglichen elektronischen Schnickschnack. Stattdessen entdeckte ich staunend, dass der Mann Geschmack hatte, und zwar einen guten.
Die Polstermöbel waren aus Leder, aber nicht schwarz, sondern in einem warmen Kamelton. Auf den beiden Beistelltischen standen zwei rotbraune Tiffanylampen. Es gab zwar einen großen Flachbildfernseher, aber ich sah nirgends eine Fernbedienung. Ich schlenderte ins Esszimmer. Dort stand ein langer Eichentisch mit einem dunkelroten Läufer und sechs hochlehnigen Stühlen, an der Stirnwand ein Sideboard. Von der Decke hing ein antiker Kronleuchter mit dunkelrotem Kristallglas. Die Wände zeigten ein zartes Mokkabraun, die Zierleisten waren buttergelb, und hier und da wurde das Dunkelrot des Kronleuchters dezent aufgegriffen. Die Treppe nach oben befand sich links, gleich neben der Haustür. Ich widerstand dem Drang, nach oben vorzustoßen, ging aber um die Treppe herum und fand ein verstecktes Arbeitszimmer mit einem großen Schreibtisch. Es war ordentlich aufgeräumt und hatte eine bibliotheksmäßig sortierte Bücherwand. An einen PC war ein kleinerer Laptop angeschlossen, daneben stand ein Henkelbecher mit
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