Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
untreuen Freund verriet! Ich musste an den vergangenen Abend denken, als er mir das Kartenlegen beibrachte und ich voraussah, dass er nach Süden reisen würde. Von mir würde Rick das bestimmt nicht erfahren.
»Tut mir leid, Rick, da kann ich dir nicht helfen.«
Es folgte eine Pause, dann fragt er: »Kannst du nicht oder willst du nicht?«
»Ich will nicht«, antwortete ich kalt und abweisend.
»Na gut, dann entschuldige die Störung. Ciao.« Er legte auf.
Ich legte das Telefon wieder auf den Nachttisch und starrte an die Decke. Meinem Gefühl nach war Kendal verreist, um von Rick Abstand zu gewinnen und über die Beziehung nachzudenken, bevor er sich dazu entschloss, die Sache zu kitten. Bei allem, was ich über Rick wusste, war das sehr klug. Ich hatte ihn insgesamt nur dreimal gesehen, einschließlich der Nudistenparty von gestern Abend, und hatte ihn nie besonders leiden können.
Kendal verdiente gut und arbeitete viel mehr als ich. Er machte schon seit Jahren nur einen Tag in der Woche frei und hatte sich einen Kundenstamm aufgebaut, weite Strecken zurückgelegt, um bei Hellseherpartys aufzutreten, hatte Schlaf und Freizeit geopfert und zugunsten seiner Karriere Familie und Freunde vernachlässigt.
Rick dagegen schien nicht viel zu tun. Er jobbte ab und zu als Golf-Caddy, Kellner oder Shampoonierer beim Friseur, aber hauptsächlich schnorrte er sich bei Kendal durch.
Verwunderlich war dabei, dass Rick im Vergleich zu Kendal echt keine Augenweide war. Er hatte Übergewicht und eine angehende Glatze. Kendal sah hammermäßig gut aus und ich kapierte überhaupt nicht, was er an Rick fand. Ich sagte mir natürlich, dass das Kendals Beziehung und nicht meine war. Er musste selber darauf kommen. Wenn er verreist war und eine Weile nachdenken wollte, dann viel Glück!
Ich kuschelte mich tiefer in meine Decke. Es war eiskalt im Zimmer, seit die Dachisolierung fehlte. Als ich gerade wieder die Augen zumachte, klingelte erneut das Telefon. Wer war das jetzt schon wieder?
»Hallo?«, fragte ich und ließ meinen Ärger durchklingen.
»Abby?«
»Milo?« Ich setzte mich auf.
»Ja. Hör zu. Es gibt eine neue Entwicklung in dem Vergewaltigungsfall. Kannst du heute Morgen ins Dezernat kommen?«
»Sicher. In einer halben Stunde bin ich da«, sagte ich und schwang bereits die Beine aus dem Bett. Mir wurde gerade bewusst, wie sehr ich jetzt eine Ablenkung brauchte, und Milos Fall war genau das Richtige dafür. Außerdem dachte ich, ich könnte ihn wegen des Killers um Rat fragen. Ich würde allerdings sehr geschickt vorgehen müssen. Er durfte mir nicht die Einzelheiten aus der Nase ziehen und mich am Ende womöglich noch in ein Zeugenschutzprogramm stecken.
Ich warf mich in Jeans und Sweatshirt, band mir die Haare zusammen, legte ein bisschen Mascara und Rouge auf und lief nach unten, um Eggy zu füttern. Ich selbst schlang schnell einen Pumpernickelbagel mit Erdnussbutter runter.
Genau dreißig Minuten später saß ich bei der Polizei vor Milos Schreibtisch und wartete, dass er aus dem Büro seines Captains käme. Ich wippte im Zehntelsekundentakt mit den Knien. Um die Zeit totzuschlagen, sah ich den Ermittlern zu, wie sie an ihren Computern tippten oder Anrufe erledigten. Da ich von Natur aus neugierig bin, belauschte ich ein paar Gespräche, was ich vermutlich nicht hätte tun dürfen, und erhielt auf diese Weise einen Exklusivbericht über einen örtlichen Fernsehmoderator, den man in der Nacht wegen Trunkenheit und zügellosen Verhaltens festgenommen hatte.
Endlich kam Milo aus dem Zimmer des Captains heraus und begrüßte mich mit seinem tollen Lächeln und einem Augenzwinkern für meine Geduld.
»Danke, dass du gekommen bist. Tut mir leid wegen der Warterei.«
»Kein Problem. Ich habe einen entspannten Vormittag vor mir. Also, was hast du für mich?«
»Wir haben heute früh Jeffrey Zimmer verhaftet, wegen des Verdachts auf Vergewaltigung im Fall Schultz.«
»Jeffrey Zimmer«, wiederholte ich und versuchte, mich zu erinnern. »Ach ja! Er ist der Nachbar, der sie durch die Hecke beobachtet hat.«
Milo nickte. »Jep. Wir haben gestern einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt und in seinem Computer heimlich aufgenommene Fotos von Cathy gefunden. Fast hundert Stück, alle durch ihr Fenster aufgenommen. Er scheint das schon ein Jahr lang zu machen und hat kein Alibi für den Tatabend, auch nicht für die Tatzeiten in den anderen Vergewaltigungsfällen. Er behauptet, zu Hause vor dem Fernseher gesessen zu
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