Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
lag auf der Hand. Wie bei allem, was mir in den vergangenen zwei Tagen passiert war, steckte Kapordelis dahinter - daran bestand kein Zweifel. Das war seine Art, Leute zu überzeugen. Ich ließ mich auf den Stuhl sinken und musste eingestehen, dass die Methode allmählich wirkte.
Ich musste einen Ausweg finden. Ich würde für ihn arbeiten müssen, sonst war es nur eine Frage der Zeit, bis ich entweder in ein fernes Land ziehen und den Namen ändern musste oder mir etwas sehr, sehr Schlimmes zustoßen würde.
Ich überlegte, zur Polizei zu gehen, verwarf die Option aber ziemlich schnell. In mir keimte der Verdacht auf, dass Kapordelis einen ziemlich langen Arm hatte und dass eine Anzeige von mir ins Leere laufen würde. Außerdem: Was sollte die Polizei auch tun? Ich konnte nicht beweisen, dass Kapordelis für die Vorfälle verantwortlich war, und selbst bei dem Autounfall galt ich bereits als die Schuldige. Nein, ich würde meine Glaubwürdigkeit verlieren, wie die meisten Verschwörungstheoretiker, und was würde das bringen?
Das Beste wäre, mit Dutch darüber zu reden. Doch selbst damit riskierte ich eine Menge. Schließlich arbeitete Dutch für das FBI, und wenn ich es auf mich nehmen und etwas gegen Kapordelis unternehmen wollte, würde ich wahrscheinlich das Zeugenschutzprogramm in Anspruch nehmen müssen. Und was wäre mit Cat? Sie war quasi meine Achillessehne. Zum Glück hatte Kapordelis sie noch nicht auf dem Radar, aber das war vermutlich auch bloß eine Frage der Zeit.
Kopfschüttelnd stand ich auf, ging in mein Sitzungszimmer und stellte frische Kerzen und Räucherstäbchen hin. Es war schwer, die Gedanken an Kapordelis und seine Druckmittel beiseitezuschieben. Die versetzten Klienten würde ich wohl besser später anrufen, nach den Sitzungen.
Um ein Uhr war ich innerlich so gut vorbereitet, wie es mit seelischem Stress und Hunger möglich war - ich hatte weder Frühstück noch Mittagessen gehabt. Mit knurrendem Magen sah ich zu, wie die Zeiger meiner Wanduhr auf eins zutickten und dann Minute um Minute verstrich, bis es Viertel nach war.
Klasse, ein Terminausfall. Ich wartete noch fünf Minuten, ohne dass der Klient aufkreuzte, und seufzte. Wenn, dann kam es immer gleich ganz dicke.
Um die Ausfallzeit zu nutzen, bestellte ich mir eine Suppe und Salat bei D’ammato, das unten in der Passage lag, und fragte, ob es mir jemand heraufbringen könnte. Ich hatte ganze zwölf Dollar im Portemonnaie und war so hungrig und müde, dass ich die gern dafür ausgab. Zehn Minuten später klopfte es an der Tür. Ein junger Kellner reichte mir das Essen herein, nahm das Geld, und ich eilte zurück an meinen Schreibtisch.
Während ich den Salat aß, rief ich meine Schwester auf dem Handy an.
»Hallo!«, sagte sie erfreut. »Was macht dein Wagen?«
»Geht wieder. Bei dem Unfall wurde die Ölwanne beschädigt, aber ich habe sie reparieren lassen, kein Problem. Tut mir leid, dass ich das Mittagessen absagen musste.« Ich hatte sie von der Tankstelle aus angerufen und ihr erzählt, es habe einen kleinen Blechschaden gegeben, der gerade repariert würde, sodass ich die Verabredung sausen lassen müsse.
»Kein Problem, Schatz, wirklich nicht. Ich musste sowieso einige Anrufe erledigen. Bleibt es denn bei unserem Kinobesuch heute?«
Nein.
Ich unterdrückte einen müden Seufzer und sagte: »Sicher, das klingt wundervoll.« Lügner, Lügner ... »Wie wär s, wenn ich dich um halb sechs am Hotel abhole, und wir gehen einen Happen essen? Das sollten wir bis zur Vorstellung um halb acht schaffen.«
»Perfekt. Dann bis später.«
Uni zwei Uhr war ich mit Essen fertig und schritt in meinem kleinen Wartezimmer auf und ab. Der nächste Klient sollte jeden Augenblick eintreffen. Um fünf nach setzte ich mich hin und wippte mit dem Fuß. Um zehn nach lief ich wieder auf und ab. Um Viertel nach war ich nahe dran, jemanden zu erwürgen. Zwei Ausfälle an einem Tag. So eine Pechsträhne hatte ich noch nie gehabt.
Schlecht gelaunt ging ich ins Bürozimmer und wählte die Nummer der ersten Klientin, die ich am Morgen versetzt hatte. Sie war wirklich ungehalten. Ich entschuldigte mich ausführlich, aber sie hörte nicht auf zu schimpfen, und so legte ich schließlich auf. Nach allem, was heute passiert war, war mir nicht nach Kundenfreundlichkeit zumute.
Um mich zu beruhigen, wartete ich mehrere Minuten ab, dann rief ich die nächste Klientin an. Sie war wesentlich vernünftiger und verlangte lediglich eine kostenlose Sitzung
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