Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
Könnten Sie vielleicht einen Zettel an meine Tür kleben, bis ich komme?«
»Sicher. Wie lange wird’s denn dauern?«
In dem Moment ging vor mir das Rolltor in die Höhe und ein Mechaniker im ölverschmierten Blaumann winkte mich herein. »Keine Ahnung. Schreiben Sie einfach drauf, mir wäre ein Notfall dazwischengekommen und ich würde noch heute anrufen und neue Termine vereinbaren.«
»Mach ich. Dann bis später.«
Zwei Stunden später erhielt ich die nächste schlechte Neuigkeit.
»Tja«, meinte der Mechaniker, »das ist ein größerer Schaden.« Er hielt meine Ölwanne in der Hand. »Sehen Sie, das Merkwürdige ist dieses Loch.« Er schob den kleinen Finger durch eine beträchtliche Öffnung im Boden der Ölwanne. »Es kann nicht daher stammen, dass Sie über etwas drübergeschrammt sind. Dafür ist der Rand zu glatt. Und auffällig ist auch das hier«, sagte er und zeigte auf eine kreidige Substanz am Rand des Lochs. »Das sieht mir ganz wie Wachs aus und ich würde fast sagen, da hat jemand die Ölwanne angebohrt und dann mit Wachs verschlossen, das natürlich geschmolzen ist, als der Motor warm wurde, sodass das Öl auslaufen konnte ...«
Je länger er erklärte, desto eisiger wurden die Schauer, die mir über den Rücken krochen. Ich starrte fassungslos auf den Metallbehälter.
»Haben Sie Feinde, Ma’am?«
Ich zwang mich zu lächeln und antwortete: »Nur einen durchgeknallten Ex.« Lügner, Lügner ...
»Also, das hätte Sie fast den Motor gekostet oder schlimmer, einen neuen Wagen.«
Ich nickte ernst, während ich ihm meine Kreditkarte in die Hand drückte. Die Reparatur würde meine letzten zweihundertfünfzig Dollar verschlingen, die noch auf dem Konto waren. Die Angst hinsichtlich meiner Finanzlage bohrte ebenfalls ein Loch, und zwar in meine Magenwand.
Der Mechaniker war so freundlich gewesen, auch die Stoßstange zu entfernen, die, wie er mir versicherte, nur noch an einem Faden gehangen hatte. Mein armes Auto sah jetzt aus, als käme es von einem Stockcar-Rennen.
Gegen halb eins hatte ich es endlich zu meinem Bürogebäude geschafft. Ich parkte auf meinem Platz im zweiten Stock und hastete über die Straße auf den großen Ziegelbau zu, der für mich wie ein zweites Zuhause war. Emotional ausgelaugt und unausgeschlafen, wie ich war, nahm ich diesmal den Fahrstuhl. Mir blieb ungefähr eine halbe Stunde, um einigermaßen zu mir zu finden. Drei Sitzungen hatte ich noch abzuhalten und außerdem würde ich drei Klienten anrufen müssen, die sicher ziemlich angepisst waren.
Ich trat aus dem Aufzug, stürmte den Hausflur entlang, wobei ich schon den Schlüssel aus der Handtasche zog, und stand völlig perplex vor meiner Tür. Der versprochene Zettel von Yvonne hing nicht dort.
»Scheiße!«, fluchte ich durch die Zähne.
Ich schloss auf und stapfte zu meinem Schreibtisch, riss das Telefon von der Station und wählte den Hausmeisterservice an, eisern darauf konzentriert, einen ruhigen Ton anzuschlagen, bis ich wüsste, warum Yvonne mich im Stich gelassen hatte.
»Concord Management«, flötete sie.
»Yvonne?«
»Am Apparat.«
»Hallo, hier Abby. Ich bin gerade in der Praxis angekommen.
Ich dachte, Sie wollten mir den Gefallen tun und einen Zettel an die Tür heften ...«
»Hab ich gemacht«, sagte sie verblüfft.
»Wo haben Sie ihn hingehängt?«, fragte ich verwirrt.
»An Ihre Tür, ein großes weißes Blatt Papier mit dem Hinweis, Sie hätten einen Notfall in der Familie und müssten in letzter Minute absagen, würden aber noch heute alle Klienten anrufen, um sich zu entschuldigen und einen neuen Termin zu vereinbaren.«
»Und den haben Sie an die Praxistür gehängt?«, fragte ich in leicht vorwurfsvollem Ton.
»Ja, keine fünf Minuten, nachdem Sie angerufen hatten.«
Mein Lügendetektor blieb stumm. »Aha«, meinte ich und zog die Krallen ein. »Tja, ich bin hier, aber der Zettel nicht, und darum dachte ich zuerst, Sie hätten es vergessen.«
»Vielleicht hat ihn einer der Klienten abgerissen.«
Linke Seite, Schweregefühl. »Ja, vielleicht. Yvonne, ich muss mich entschuldigen ... ich habe einen schrecklichen Vormittag hinter mir. Herzlichen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben.«
»Kann ich sonst noch was für Sie tun?«, fragte sie freundlich.
»Nein, danke. Ich komme jetzt zurecht.« Lügner, Lügner ... »Ich melde mich wieder. Und nochmals Danke.«
Nach dem Auflegen stand ich ein Weilchen an meinem Schreibtisch. Was war mit dem Zettel passiert? Die Antwort
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