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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Güte dieser Frau, die sie bisher nur als harte Aufseherin gekannt hatte. Mary Hayes war schon weit über vierzig und eine Emanzipierte. Sie war mit der ersten Sträflingsflotte gekommen, die 1788 in der Bucht von Sydney vor Anker gegangen war. Sie hatte die schlimmen Zeiten mitgemacht, als die Kolonie jahrelang unter schrecklicher Hungersnot gelitten hatte und immer wieder vom Untergang bedroht gewesen war.
    »Für mich ist das auch nichts«, sagte sie ruhig und ohne Bedauern. »Jeder muss wissen, wo sein Platz ist.« Damit versank sie wieder in ein gedankenvolles Schweigen.
    Abby saß ruhig da, ließ ihre Finger über das Rutengeflecht ihres Korbes gleiten und hoffte, dass der Tag schnell vergehen möge. Als sie eine gute Stunde später aus der Werkstatt ging, weil sie ein Bedürfnis verspürte, lief sie Megan direkt in die Arme.
    Sie strahlte über das Gesicht. »Du wirst es nicht glauben, Abby!«
    »Dir glaube ich doch alles«, gab sich Abby gut gelaunt.
    »Ich habe einen Mann!«
    »Ist das der mit dem lockigen Haar und den vielen Sommersprossen?«
    Megan nickte eifrig. »Du hast Tim schon gesehen, nicht wahr? Timonthy O’Flathery ist sein Name und er ist wie ich ein richtiger Ire! Und von Landwirtschaft scheint er auch was zu verstehen, obwohl er erst letztes Jahr eine Landzuteilung erhalten hat.«
    »Ich freue mich für dich«, sagte Abby.
    »Schluss mit der stupiden Korbbinderei!« Megan strahlte förmlich, zwinkerte ihr zu und verschwand im Gedränge.
    Rachel tauchte neben Abby auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube, ich werde die Nacht schon unter dem Dach meines Mannes verbringen«, sagte sie.
    »Du hast dich also entschieden«, stellte Abby fest und Traurigkeit ergriff sie. Nicht nur Megan, sondern auch Rachel, die ihr besonders nah gestanden hatte, würden sie verlassen, obwohl es natürlich kein Verlassen war, sondern ein Sich-Trennen der Wege. Sie konnte und durfte keinem einen Vorwurf machen. Ihre gemeinsame Zeit war einfach um, nicht mehr und nicht weniger.
    »Ich wusste schon nach seinen ersten Sätzen, dass er ein guter Mann ist und ich ihn zum Ehemann nehmen würde. Doch die Entscheidung lag nicht bei mir. Es war eigentlich er, der sich entscheiden musste, nachdem ich ihm meine Geschichte erzählt hatte. Sogar in einer Sträflingskolonie gehören Mörderinnen nicht eben zu denen, die man sich gern zur Frau nimmt.«
    »Wenn du es ihm so wie mir erzählt hast, wird er es verstehen … und wenn nicht, ist er auch nicht der richtige Mann für dich«, meinte Abby.
    Ein Lächeln huschte über Rachels Gesicht. »Ja, das habe ich mir im Stillen auch gesagt. Ich habe mich auch nicht in ihm getäuscht. Wir sind uns einig geworden. Wir werden nachher mit den anderen heiraten.«
    Einer spontanen Eingebung folgend, umarmte Abby ihre Freundin. »Wenn ich einem von ganzen Herzen Glück wünsche, dann bist du das, Rachel.«
    »Das wünsche ich dir auch.« Rachel hatte feuchte Augen, und das machte sie irgendwie ärgerlich, zeigte sie doch nicht gern, wie es wirklich in ihrem Innersten aussah. Sie löste sich schnell aus der Umarmung und sagte auf ihre nüchterne Art: »Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Und wir bleiben in Kontakt, Abby. Wo du mir das Schreiben und Lesen beigebracht hast, kann ich ja mal zur Feder greifen, falls ich eine ruhige Stunde finde. Außerdem werden wir uns bestimmt noch oft über den Weg laufen. New South Wales ist nicht England und dieses Nest Sydney keine Stadt wie London. Wir hören ganz sicher voneinander.«
    Abby nickte nur, weil sie Angst hatte, ihre Stimme könnte verraten, wie nahe ihr die Trennung ging.
    Die Sonne stand schon über den Dächern der Factory, als der Heiratsmarkt mit der schon zur Tradition gewordenen so genannten »Halstuchwahl« der Bewerber zu Ende ging. Die Frauen stellten sich in einer langen Reihe auf und die Männer ließen vor der Frau ihrer Wahl ihr Halstuch fallen. Hob die Frau das Tuch auf, war der Eheantrag des Mannes angenommen.
    Abby sah, wie Megan und Rachel sich nach dem vor ihren Füßen liegenden Halstuch bückten, und zählte, dass sechsundzwanzig weitere Tücher aufgehoben wurden. Sieben blieben liegen.
    In einer kurzen, unfeierlichen Zeremonie wurden die Paare sofort danach von einem Geistlichen, der es sehr eilig hatte, die Angelegenheit hinter sich zu bringen, im staubigen Hof getraut.
    In dieser Nacht schien die Einsamkeit Abby erdrücken zu wollen und sie weinte lautlos in der Dunkelheit. Irgendwo in der Ferne

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