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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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Koma. Vielleicht wird sie nie wieder –« Sophie Bäumer schluchzte auf und zog ein Taschentuch aus dem Rock. »Und ich bin schuld.«
    »Aber, nein, Tante Sophie, so was darfst du nicht sagen. Wir alle wissen doch, dass es unglückliche Umstände waren.«
    »Ich hätte schneller reagieren müssen, sofort zum Telefon laufen müssen. Stattdessen habe ich Zeit verloren, ich habe doch versucht, sie aus dem Bett –« Sophie Bäumer brach in neuer Verzweiflung ab.
    »Weiß man inzwischen, wie der Brand zustande kam?«
    Die alte Frau zuckte die Schultern.
    »Vielleicht hat es mit ihrer Raucherei zu tun. Sie hat falsch mit ihrer Zigarette hantiert, die Zigarette hat was in Brand gesteckt, und dann hat sie die Kontrolle verloren –«
    »Aber das ändert doch nichts!«
    Sophie Bäumer heulte mit überraschender Energie auf. »Ich hatte die Verantwortung, und ich hab versagt!«
    Die Nenn-Nichte beugte sich vor. »Du hast alles richtig gemacht, glaube mir. – Und Anja war schon weg?«
    »Ja, ich war doch ganz allein in der Situation.«
    »Jetzt beruhige dich. – Hast du Rum im Haus?«
    Die Tante wies schweigend zu einer Nussbaum-Konsole.
    »Hier.« Regine Mewes goss für beide Tee nach und gab Rum dazu. »Gleich wird es dir besser gehen.«
    »Meinst du?« Sophie Bäumer blickte mit verquollenen Augen hoch. »Ganz bestimmt. Alles wird gut. Bald sitzt Amalie wieder quicklebendig vor dir.«
    Sophie Bäumer steckte das Taschentuch ein. »Du machst dir sicher Sorgen wegen eurer Wohnung.«
    »Halb so wild. Für den Schaden kommt natürlich die Versicherung auf.«
    »Ja, das hat Norbert mir erzählt. Er hat schon alles in die Wege geleitet.«
    Regine seufzte leicht auf. »Fragt sich nur, wie lange die Renovierung dauert. Wir fallen dir hier zur Last –«
    »Aber nein, Kindchen. Das ist doch wohl das Mindeste, was ich tun kann. Ich bin ja so froh, dass ich diese geräumige Wohnung habe.« Die alte Frau umfasste mit liebevollen Blicken die biberbraune Sitzgarnitur, die pergamentgelbe Tütenlampe und die Gitter-Stores, die den kleinen Balkon verhüllten. »Jetzt möchtest du sicher was Ordentliches essen.«
    Sophie Bäumer erhob sich mit unerwartetem Schwung, als es an der Wohnungstür klingelte. »Norbert!«, hörte Regine ihre Tante rufen. Es klang so durchdringend entsetzt, dass sie aufsprang und zum Flur lief. Ihr Ehemann taumelte ihr entgegen, mit leeren Augen unter dem wirren Haar, das Gesicht so graubleich verfallen, dass sie zurückwich und die ausgestreckten Arme sinken ließ.
    Norbert wankte an ihr vorbei und ließ sich auf das Sofa fallen. Während Regine und die Tante nachkamen und ihn aufs Höchste alarmiert anblickten, starrte er an ihnen vorbei. »Mutter ist tot!«, stieß er hervor. »Nein!«, schrie Sophie Bäumer. Sie presste eine Hand vor den Mund und sank auf den nächsten Sessel. »Waas?« Regine spürte, wie ihr Herz schnell und laut zu hämmern begann. Sie starrte abwechselnd ihren Mann und ihre Tante an und wusste nicht, wem sie sich zuerst zuwenden sollte.
    Dann entschied sie sich für ihren Mann. Sie setzte sich zu ihm aufs Sofa und legte den Arm um ihn. »Das ist ja furchtbar. Mein armer Norbert!«
    Amalies Sohn stieß wortlos ihren Arm weg. Regine wollte aufspringen, besann sich aber und blieb mit verkrampften Händen neben ihm sitzen. »So sag doch was, Norbert!« Sophie Bäumers Schock hatte sich in ein wimmerndes Weinen aufgelöst. »Bitte!«
    Ihr Neffe drehte sich in einer unendlich langsamen Bewegung zu ihr um. Der Wunsch, für immer verstummen zu dürfen, und die Notwendigkeit, auf den flehentlichen Appell seiner Tante zu antworten, kämpften gegeneinander. »Mutter ist tot«, wiederholte er. »Sie ist aus dem Koma nicht wieder aufgewacht. Die Ärzte sagen, die Rauchvergiftung sei zu stark gewesen, ihre Lunge habe das nicht mehr verkraftet –«
    Ihre Raucherlunge, durchfuhr es Regine. Aber sie knipste den Gedanken sofort wieder aus und hörte Norbert weiter zu. »– sie hätten nichts mehr machen können. Schließlich habe das Herz ausgesetzt.« Er verbarg das Gesicht in den Händen.
    »Wo ist sie jetzt?«, flüsterte die Tante.
    Norbert schaute auf, tränenlos. »Noch im Krankenhaus.«
    »Du hast also Abschied genommen. Kann ich hinfahren?« Sophie Bäumer schluchzte erneut.
    »Nein. Wenn du hinkommst, dann ist sie – dann ist sie – schon im Kühlfach.«
    »Oh, Gott.« Norberts Tante weinte lauter. Immer wieder schüttelte sie den Kopf, so, als habe der Tod sich in der Adresse vertan. Mit dem

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