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Abendland

Abendland

Titel: Abendland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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ausgefallene Existenzform dar, daß ein Mensch, der den Entschluß faßt, diese zu leben, sich an wenig anderem orientieren kann als an den Vorbildern aus Buch und Kino – ein Killer, sagte ich mir, tut, wenn man seine finanziellen Forderungen erfüllt, was man ihm aufträgt. Also: Wie lautet, präzise formuliert, mein Auftrag? Soll es aussehen wie ein Unfall? Oder wie ein Raub mit Totschlag als Folge? Die technische Ausführung ist Sache des Fachmanns. Sehr wichtig: Wann soll er es tun? Bis zum Semesterende würden Margarida, du und ich in Lissabon bleiben, Ende Juli würden wir nach Innsbruck zurückkehren. Es wird mir möglich sein zu verhindern, daß Margarida und ich in den nächsten zwei Jahren Lissabon besuchen. Wenn ich sage, ich will den Urlaub nicht in Lissabon verbringen, wird sie nicht darauf bestehen. Also: Die Tat soll in einem oder in eineinhalb Jahren geschehen. Ich meinte, mir damit ein gutes Alibi zu verschaffen.
    Die vorläufig wichtigste Frage aber lautete: Wo finde ich einen Killer? Der Konjunktiv wirkte auch bei dieser Frage in mehrerer Beziehung förderlich. Der Konjunktiv führt einen vor weite philosophische Horizonte, er kann einen Mann mit der Aura der Unbezwinglichkeit umgeben, er ist aber auch der Pate scharfsinniger Irrtümer, und er ist ein äußerst geschickter Betrüger. Selbst wenn du bereits im Begriff bist, Taten zu setzen, dich also bereits im Indikativ bewegst, wiegt er dich noch in der Illusion, es sei nichts getan, solange es nicht bis zum Fait accompli getan ist. Wenn ich einer wäre, der einen Killer suchte – dann würde ich zum Beispiel … eine Prostituierte konsultieren, ihr das Doppelte von dem geben, was sie für ihre Dienste fordert, dafür aber nichts anderes verlangen, als daß sie mir ein Gespräch mit ihrem Zuhälter vermittelt. So, stellt sich der Unbedarfte vor, knüpft ein Unbedarfter Kontakt zu einem professionellen Mörder. Der Kenner würde vielleicht sagen: Niemals führt eine Prostituierte einen Kunden zu ihrem Zuhälter. Was aber, wenn sie es doch tut? Wenn der Unbedarfte recht bekommt? Sie hat mich zu ihrem Luden geführt. Und der sah genauso aus, wie sich ein Unbedarfter einen Luden vorstellt. Nun herrschte nicht mehr allein der Konjunktiv. Der erste indikativische Schritt war getan. Was sollte ich ihm sagen? Wenn ich einer wäre, der will, daß ihm ein Zuhälter Kontakt zu einem Killer herstellte, dann würde ich zu dem Zuhälter sagen: Ich suche einen Killer, können Sie mir helfen? Und genau das sagte ich. Wenn sich Schwierigkeiten ergäben, könnte ich mich immer noch auf die Socken machen und die Sache hinter mir fallenlassen. Geld würde ich wahrscheinlich verlieren. Und wenn schon. Ich bewegte mich im Indikativ, operierte aber immer noch mit dem Konjunktiv. Auf manche Menschen üben Zuhälter eine kontrapunktische Faszination aus, auf manche Literaten und Filmleute zum Beispiel. Ich denke, das liegt daran, daß Zuhälter gar nichts vom Konjunktiv halten, und das fasziniert Menschen, deren eigentliches Element der Konjunktiv ist. Mein Zuhälter jedenfalls hielt nichts vom Konjunktiv. Er nannte eine Summe, sagte, ja, er könne mir helfen. In dieser Reihenfolge. Das Geld war für die Vermittlung, er wollte es sofort. Es war eine nicht unbeträchtliche Summe. Ich sagte, ich hätte nicht soviel bei mir. Wir verabredeten uns für den kommenden Tag an einer bestimmten Stelle auf dem Fußweg am Tejo entlang in Richtung Belém, zwei Kilometer außerhalb der Stadt. Dort stehe ein Baukran, blau und nicht zu übersehen, zwanzig Meter weiter werde er auf mich warten.
    Er war nicht allein. Als ich den Mann neben ihm sah, wollte ich umdrehen. Das ist der Killer, dachte ich. Wenn ich mit ihm das Gespräch aufnehme, verlasse ich den Konjunktiv endgültig. Sie hatten mich kommen sehen und mir den Rücken zugewandt. Vielleicht wollten sie mir die Chance geben, mich frei zwischen Konjunktiv und Indikativ zu entscheiden. Andererseits, sagte ich mir, was soll schon geschehen. Der Killer wird mir seine Bedingungen unterbreiten. Wenn ich damit nicht einverstanden bin, wird nichts sein – und wird auch nichts gewesen sein. Ein bißchen etwas gekostet haben wird es. Spesen.
    Es war nicht der Killer. Es war sein Agent. Das ist kein Witz. Als solchen stellte er sich mir vor. Der Zuhälter wollte sich an unserem Gespräch nicht beteiligen, er nahm die Vermittlungsgebühr und verschwand.
    Der Agent sagte: ›Wir brauchen Name, Adresse und Fotos.‹
    Ich sagte: ›Ich habe

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