Abendruh: Thriller (German Edition)
auf den Arbeitsflächen in der Küche gefunden. Das reichte für einen Haftbefehl. Aber reichte das auch für eine Verurteilung? Jane war sich nicht sicher.
»Wenn wir Zapata vor Gericht bringen wollen, können wir uns nicht auf Teddys Hilfe verlassen«, sagte sie.
»Du hast reichlich Zeit, ihn vorzubereiten«, bemerkte Crowe.
»Er hat kein Gesicht gesehen.«
»Er muss doch irgendetwas gesehen haben, was uns beim Prozess helfen kann.«
»Dir ist wohl nicht klar, wie labil Teddy in Wirklichkeit ist. Wir können nicht erwarten, dass er als Zeuge aussagt.«
»Er ist vierzehn, verdammt noch mal«, fuhr Crowe sie an. »Als ich vierzehn war …«
»Lass mich raten. Da hast du Pythons mit bloßen Händen erwürgt.«
Crowe beugte sich vor. »Ich will nicht, dass unsere Anklage zusammenbricht. Wir müssen schweres Geschütz auffahren.«
»Teddy ist aber keine Kanone«, sagte Jane. »Er ist ein Kind.«
»Und ein traumatisiertes dazu«, ergänzte Moore. Er schlug die Mappe auf, die er in die Besprechung mitgebracht hatte. »Ich habe noch einmal mit Detective Edmonds auf den amerikanischen Jungferninseln gesprochen. Er hat mir die Akte über die Morde an der Clock-Familie gefaxt und …«
»Sie wurden vor zwei Jahren ermordet«, unterbrach ihn Crowe. »In einem anderen Gerichtsbezirk, sogar in einem anderen Land. Wo ist die Verbindung zu diesem Fall?«
»Es gibt wahrscheinlich keine«, räumte Moore ein. »Aber diese Informationen sprechen Bände über die seelische Verfassung des Jungen. Sie erklären, warum er so am Boden zerstört ist. Was dort in Saint Thomas passiert ist, war genauso furchtbar wie das, was ihm hier zugestoßen ist.«
»Und dieser Fall wurde nie aufgeklärt?«, fragte Frost.
Moore schüttelte den Kopf. »Aber er hat ein ziemliches Medienecho hervorgerufen. Ich erinnere mich noch, dass ich damals von dem Fall gelesen habe. Amerikanische Familie auf Traumreise um die Welt an Bord ihrer 75-Fuß-Jacht ermordet. Zugegeben, die Mordrate auf den amerikanischen Jungferninseln ist rund zehnmal so hoch wie bei uns, aber das Massaker war deshalb nicht minder schockierend. Der eigentliche Schauplatz waren die Capella-Inseln, die vor Saint Thomas liegen. Die Familie Clock – Nicholas, Annabelle und ihre drei Kinder – schlief an Bord ihrer Jacht Pantomime. Sie waren für die Nacht in einer ruhigen Bucht vor Anker gegangen; es waren keine anderen Boote in der Nähe. Während die Familie schlief, enterten der oder die Täter die Jacht. Es fielen Schüsse. Schreie, Panik – und dann eine Explosion. So hat es jedenfalls Teddy später der Polizei geschildert.«
»Wie hat er es geschafft zu überleben?«
»Durch die Explosion verlor er das Bewusstsein, er hat also Erinnerungslücken. Das Letzte, woran er sich erinnert, ist die Stimme seines Vaters, der ihn aufforderte zu springen. Als er wieder zu sich kam, trieb er mit umgeschnallter Rettungsweste im Wasser. Ein Tauchboot fand ihn am nächsten Morgen, inmitten von Wrackteilen der Pantomime .«
»Und die Familie?«
»Die umliegenden Gewässer wurden gründlich abgesucht. Später fand man die Leichen von Annabelle und einem der Mädchen. Oder vielmehr das, was von ihnen übrig war, nachdem die Haie sich über sie hergemacht hatten. Die Obduktion ergab, dass beiden in den Kopf geschossen wurde. Die Leichen von Nicholas und der anderen Tochter wurden nie gefunden.« Moore verteilte Kopien des gefaxten Berichts. »Detective Edmonds sagte, es sei das erschütterndste Verbrechen, mit dem er als Ermittler je zu tun hatte. Eine 75-Fuß-Jacht ist eine große Versuchung für Räuber, weshalb er darin das Motiv vermutete. Der oder die Täter haben wahrscheinlich sämtliche Wertgegenstände eingesackt und das Boot dann in die Luft gesprengt, um Beweise zu vernichten, sodass die Polizei nichts in der Hand hatte. Der Fall ist immer noch nicht aufgeklärt.«
»Und der Junge konnte sich auch in diesem Fall an nichts Brauchbares erinnern«, meinte Crowe. »Kann es sein, dass er doch nicht ganz richtig im Kopf ist?«
»Er war damals gerade mal zwölf«, sagte Moore. »Und er ist ganz bestimmt intelligent. Ich habe die ehemalige Nachbarin der Familie in Providence angerufen, wo die Clocks lebten, bevor sie zu ihrer Kreuzfahrt aufbrachen. Sie sagte mir, Teddy habe als hochbegabt gegolten. Er war im beschleunigten Förderprogramm seiner Schule. Sicher, er hatte Probleme, Freunde zu finden und akzeptiert zu werden, aber sein IQ lag mindestens ein Dutzend Punkte über dem
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