Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Und überfahren Sie nicht den Bären.«
    Sie fragte sich, ob er vielleicht den Hund von Julian Perkins meinte, der Bear hieß. Aber nachdem sie etwa hundert Meter durch den Wald gefahren war, machte die Straße eine Kurve, und sie musste abrupt bremsen, als ein Schwarzbär – ein echter Bär – über die Fahrbahn spazierte, gefolgt von zwei Jungtieren, deren Fell im Sonnenlicht glänzte.
    »Wo sind wir hier bloß?«, murmelte Teddy verwundert.
    »Ganz bestimmt nicht in der großen Stadt.« Sie sah dem Trio nach, als es im Wald verschwand. »Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir«, schnaubte sie. » BOSTONER POLIZISTIN VON BÄREN AUFGEFRESSEN .«
    »Die fressen keine Menschen.«
    »So, und das weißt du ganz sicher?«
    »Schwarzbären ernähren sich überwiegend vegetarisch.«
    »Überwiegend?«
    »Überwiegend.«
    »Das ist nicht gerade beruhigend.« Sie fuhr weiter und fragte sich, welche Überraschungen noch aus dem Wald auftauchen würden. Wölfe. Pumas. Einhörner. In diesem undurchdringlichen Urwald schien alles möglich.
    Teddy war inzwischen hellwach und starrte fasziniert aus dem Fenster. Vielleicht war das hier draußen in den Wäldern ja genau der richtige Ort für den Jungen. Es war das erste Mal, dass er von sich aus mehr als zwei Sätze hintereinander gesagt hatte.
    »Sind da auch andere Kinder?«, fragte er.
    »Na klar. Es ist eine Schule.«
    »Aber es ist Sommer. Sind sie nicht alle in den Ferien?«
    »Es ist ein Internat. Manche Kinder bleiben das ganze Jahr über.«
    »Haben sie keine Familien, zu denen sie fahren könnten?«
    Jane zögerte. »Nicht alle.«
    »Und sie leben also immer hier?«
    Sie drehte sich zu ihm um, doch er sah nicht in ihre Richtung, sondern starrte stattdessen zum Fenster hinaus auf den dichten grünen Vorhang. »Gefällt mir eigentlich ganz gut hier«, sagte sie. »Was meinst du?«
    »Doch, mir auch«, sagte er. Und fügte leise hinzu: »Ich glaube nicht, dass sie mich hier finden können.«

12
    Claire war die Erste, die den neuen Jungen erspähte. Vom Treppenhausfenster aus sah sie zu, wie der Wagen unter dem Steinbogen des Schultors hindurchfuhr und im Hof anhielt. Die Fahrerin stieg aus, eine kompakte Frau mit widerspenstigen dunklen Haaren, bekleidet mit Jeans und Windjacke. Sie streckte sich, als ob sie eine lange Fahrt hinter sich hätte, öffnete dann die Heckklappe und nahm zwei Koffer heraus.
    Dann ging die hintere Tür auf der Beifahrerseite auf, und noch jemand stieg aus dem Wagen: ein Junge.
    Claire drückte das Gesicht an die Scheibe, um ihn in Augenschein zu nehmen, und sie sah einen eiförmigen Schädel mit hellbraunen Haaren, gekrönt von einem kleinen, strähnigen Wirbel. Er erinnerte sie an Pinocchio, mit seinen langen, dürren Armen und Beinen und seinen mechanischen, ruckartigen Bewegungen. Er blickte mit zusammengekniffenen Augen zum Schulgebäude auf, und Claire dachte: So muss wohl ein Vampir aussehen. Oder jemand, der lange in einem Keller eingesperrt war.
    »He, sieh mal, wer da ist – das Nachtgespenst!«
    Claire erstarrte, als sie die allzu vertraute Beleidigung vernahm. Sie drehte sich um und sah Briana mit ihren zwei hochnäsigen Freundinnen auf dem Weg zum Frühstück die Treppe herunterrauschen. Die drei waren die Stars der Schule, die Prinzessinnen mit den glänzenden Haaren und den makellosen Zähnen.
    »Was gibt’s denn da draußen so Interessantes zu sehen?«, fragte eine der Prinzessinnen.
    »Vielleicht sucht sie nach einer neuen Stelle, wo sie heute Nacht spuken kann.«
    »He, Briana, schau mal«, sagte die andere Prinzessin. »Da ist der neue Junge, von dem sie erzählt haben.«
    Die drei Mädchen schubsten Claire zur Seite und drängten sich vor, um aus dem Fenster zu gaffen.
    » Der soll vierzehn sein?«, fragte Briana.
    »Ihr habt von ihm gehört?«, fragte Claire.
    Briana ignorierte sie. »Was für ein Strichmännchen. Er sieht aus wie höchstens zehn.«
    Unten traten Direktor Baum und Dr. Isles hinaus in den Hof, um die Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen. An der Art, wie die beiden Frauen einander begrüßten, war deutlich zu sehen, dass sie sich schon kannten.
    »Er sieht aus wie ein Insekt«, sagte eine der Prinzessinnen. »Wie so eine eklige Gottesanbeterin.«
    Briana lachte und sah Claire an. »He, Nachtgespenst, ich glaub, dein neuer Freund ist gerade angekommen!«
    Eine halbe Stunde später beim Frühstück konnte Claire ihn noch einmal in Ruhe betrachten. Der Junge saß an Julians Tisch, bei den älteren Jungen. Sie

Weitere Kostenlose Bücher