Abendruh: Thriller (German Edition)
können mich ja wegen Diskriminierung verklagen.«
»Darf ich mal die Liste sehen?«, fragte Frost und überflog die Namen. »Hier wohnt ein Philbrook.«
»Na, das ist ja ein typisch hispanischer Name«, meinte der Streifenpolizist.
»Maria hat eine Schwester.« Frost blickte auf. »Und die ist mit einem Philbrook verheiratet.«
»Das muss es sein«, sagte Crowe. »Welche Wohnung?«
»Hier steht 210.«
»Das müsste auf der Rückseite sein«, sagte Arbato. »Der Code für die Eingangstür ist 127.«
»Arbato«, kommandierte Crowe, »du bewachst mit den beiden Officers hier die Ausgänge. Alle anderen – mir nach !«
Jedem, der zufällig beobachtete, wie Crowe, Moore, Frost und Jane geschlossen auf den Hauseingang zumarschierten, musste sofort klar sein, was hier los war. Aber die Menschen in Wohnung 210, deren Fenster nach hinten gingen, konnten nicht ahnen, was ihnen bevorstand. Crowe tippte 1-2-7 in das Tastenfeld neben der Tür ein, und das Schloss öffnete sich mit einem Klick. Als Jane ihm ins Gebäude folgte, pochte ihr Herz, und ihre Hände begannen zu schwitzen. Das könnte ein Kinderspiel werden, es könnte aber auch in einem blutigen Desaster enden. Und das hieß, dass dies vielleicht die letzten Sekunden wären, die sie bewusst erlebte – ihre Schritte auf den ausgetretenen Stufen, das Gewicht der Glock in ihrer Hand. Direkt vor ihr war Frosts Rücken, mit der schusssicheren Weste, die sich unförmig unter dem Hemd abzeichnete. All diese Details registrierte sie mit unnatürlich gesteigerter Wahrnehmung, ein Dutzend Eindrücke zugleich.
Sie erreichten den Treppenabsatz im ersten Stock. Wohnung 210 war am Ende des Flurs. Plötzlich ging hinter ihr eine Tür auf, und Jane fuhr blitzschnell herum, schwang ihre Waffe in die Richtung des Geräuschs. Eine junge Frau starrte sie an, ein Baby auf dem Arm, die dunklen Augen vor Entsetzen geweitet.
»Bleiben Sie drin!«, zischte Jane. Augenblicklich zog die Frau sich zurück und schlug die Tür zu.
Crowe stand schon vor Wohnung 210. Er hielt inne und musterte sein Team mit strengem Blick. »Rizzoli!«, flüsterte er. »Dein Auftritt. Sorg dafür, dass sie uns reinlassen.«
Sie wusste, warum er sie ausgewählt hatte. Ein weibliches Gesicht und eine weibliche Stimme wirkten weniger bedrohlich. Sie holte tief Luft und drückte die Türklingel, stellte sich so dicht vor den Spion, dass sie das ganze Blickfeld ausfüllte. Leider machte es das für jemanden, der auf der anderen Seite stand, auch leichter, ihr den Kopf wegzupusten. Sie bemerkte eine flackernde Bewegung im Guckloch – jemand starrte sie an.
Die Tür wurde aufgerissen. Eine hispanische Frau stand vor ihnen – rundes Gesicht, in den Vierzigern, die Ähnlichkeit mit der Haushälterin der Ackermans so ausgeprägt, dass Jane wusste, es musste sich um Marias Schwester handeln.
»Mrs. Philbrook?«, sagte Jane.
Die Frau entdeckte die anderen Detectives auf dem Flur und schrie: »Maria!«
»Los, rein!«, blaffte Crowe und drängte sich an Jane vorbei in die Wohnung.
Dann passierte zu viel auf einmal. Polizisten stürmten durch die Wohnung, Marias Schwester kreischte und jammerte auf Spanisch. Jane lief durch ins nächste Zimmer, registrierte flüchtig einen fleckigen Teppich, ein gestreiftes Sofa, einen Laufstall.
Kinder. Es sind Kinder in der Wohnung.
Jane rannte ins Schlafzimmer. Es war durch schwere Vorhänge so abgedunkelt, dass sie die zusammengekauerten Gestalten in der Ecke erst auf den zweiten Blick bemerkte. Eine Frau drückte zwei kleine Kinder an sich, hielt sie so eng umschlungen, als wollte sie sie mit ihrem eigenen Körper vor allen Gefahren schützen.
Maria.
Plötzlich scheppernde Schritte auf Metall.
Jane eilte geduckt durch eine weitere Tür in ein zweites Schlafzimmer, wo Moore gerade durch das offene Fenster auf die Feuertreppe stieg.
»Zapata?«, fragte Jane.
»Ist die Leiter rauf!«
Wieso rauf?
Sie steckte den Kopf aus dem Fenster und sah Arbato und Cahill mit gezogenen Waffen unten in der Gasse stehen. Sie blickte nach oben und entdeckte ihre drei Kollegen, die hinter dem Flüchtigen die Leiter hinaufkletterten.
Sie rannte zurück durch die Wohnung und hinaus ins Treppenhaus. Wenn Zapata es bis aufs Dach schaffte, würde sie ihn dort abfangen. Sie nahm immer zwei Stufen auf einmal, sah im Vorbeirennen eine Tür aufgehen und gleich wieder zuknallen und hetzte mit wild pochendem Herzen die letzten Stufen hinauf.
Oben angekommen, stieß sie die Tür zum Flachdach
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