Abendruh: Thriller (German Edition)
wie diese Reporterin ihn anschmachtet«, sagte Jane und deutete auf die blonde Korrespondentin, die Crowe interviewte. »Fehlt nur noch, dass sie sich den Blazer vom Leib reißt und schreit: ›Nimm mich, mein Held!‹«
»Zu mir hat das noch nie jemand gesagt …« Frost seufzte und biss resigniert in sein Sandwich.
»Er schlachtet das aus wie ein Profi. Ach, schau mal, jetzt setzt er seine gedankenschwere Miene auf.«
»Ich hab gesehen, wie er die auf dem Klo geübt hat.«
»Der und gedankenschwer.« Jane schnaubte verächtlich, während sie ihr Sandwich auspackte. »Man kann ja froh sein, wenn der überhaupt mal einen Gedanken hat. So, wie er die Tussi anglotzt, denkt er wahrscheinlich wieder nur an das eine.«
Sie verzehrten ihre Sandwiches und verfolgten auf dem Bildschirm, wie Crowe die Jagd auf Zapata schilderte. Er hätte sich ergeben können, aber er hat sich für die Flucht entschieden … Wir sind zu jedem Zeitpunkt mit Zurückhaltung vorgegangen … eindeutig das Verhalten eines Schuldigen …
Jane war plötzlich der Appetit vergangen, und sie legte ihr Sandwich beiseite.
Illegalen Einwanderern, die wie Zapata ihre Gewalt in dieses Land einschleppen, werden wir das Handwerk legen. Das verspreche ich den anständigen Bürgerinnen und Bürgern von Boston.
»So ein Quatsch«, sagte sie. »Er schwingt sich einfach so zum Richter über Zapata auf.«
Frost sagte nichts, futterte nur seelenruhig sein Truthahnsandwich, als ob ihn nichts sonst interessierte, und das ärgerte sie.
Normalerweise wusste sie die Unerschütterlichkeit ihres Kollegen sehr zu schätzen. Keine dramatischen Szenen, keine Tobsuchtsanfälle, nur ein geradezu aufreizend ausgeglichener, braver Pfadfindertyp, der sie in diesem Moment irgendwie an eine friedlich wiederkäuende Kuh erinnerte.
»He«, sagte sie. »Geht dir das nicht auch gegen den Strich?«
Er sah sie an, den Mund voller Truthahnfleisch. »Ich weiß, dass es dir gegen den Strich geht.«
»Aber hast du denn kein Problem damit? Findest du es okay, die Akte zu schließen, obwohl wir nicht einmal eine Mordwaffe haben und auch sonst rein gar nichts, was Zapata mit den Ackermans in Verbindung bringen würde?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich es okay finde.«
»Und jetzt stellt sich unser Obercop da vor die Kameras und präsentiert alles fertig verpackt und verschnürt wie ein Weihnachtsgeschenk. Ein Geschenk, das zum Himmel stinkt. Und dir müsste es auch stinken.«
»Mag sein.«
»Gibt es überhaupt irgendetwas, was dich auf die Palme bringt?«
Er biss noch einmal in sein Sandwich und kaute, während er über die Frage nachdachte. »Doch«, sagte er schließlich. »Alice.«
»Bei Exfrauen ist das normal.«
»Du hast mich gefragt.«
»Also, dieser Fall sollte dich genauso auf die Palme bringen. Oder dir wenigstens keine Ruhe lassen, so wie er mir und Maura keine Ruhe lässt.«
Bei der Erwähnung von Mauras Namen legte er endlich sein Sandwich hin und sah sie an. »Was denkt Dr. Isles denn?«
»Dasselbe wie ich: Dass es irgendeinen Zusammenhang zwischen diesen drei Kindern gibt. Ihre Therapeutin ist gerade vom Dach gesprungen, und Maura fragt sich, wie es kommt, dass alle Menschen, die diesen Kindern nahestehen, sterben müssen. Es ist, als ob ein Fluch auf ihnen lastet. Wohin sie auch gehen, immer gibt es mindestens eine Leiche.«
»Und jetzt sind sie alle zusammen an einem Ort.«
Abendruh. Sie dachte an die dunklen Wälder, in denen die Weidenbäume mit blutigem Schmuck behängt waren. An ein Schloss, dessen Bewohner von den Geistern der Vergangenheit geplagt wurden und die alle im Schatten der Gewalt lebten. Sowohl Teddy als auch Maura befanden sich in diesem Moment hinter verschlossenen Toren, zusammen mit Kindern, die nur allzu nahe Bekanntschaft mit blutiger Gewalt gemacht hatten.
»Rizzoli.« Die Stimme ließ sie zusammenfahren, und als sie in ihrem Stuhl herumwirbelte, sah sie Lieutenant Marquette hinter sich stehen. Sofort schnappte sie nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
»Haben Sie beide etwa nicht genug zu tun?«, fragte Marquette. »Müssen Sie sich jetzt schon Seifenopern anschauen?«
»Die größte Seifenoper von allen«, entgegnete sie. »Detective Crowe erzählt gerade den anständigen Bürgern von Boston, wie er eigenhändig den Erzbösewicht Zapata unschädlich gemacht hat.«
Marquette legte den Kopf schief. »Ich muss Sie in meinem Büro sprechen.«
Sie fing Frosts Blick auf, als sie aufstand. Autsch! , sagte seine
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