Abendruh: Thriller (German Edition)
Frost. »Hatten er oder seine Frau vielleicht eine Affäre?«
Bartusek blieb vor einer offenen Tür stehen, doch sein gewaltiger Leibesumfang verwehrte ihnen jeden Blick in das Zimmer dahinter. »Damals habe ich es nicht für möglich gehalten. Ich meine, die beiden waren so normal . Aber andererseits weiß man ja nie, was in einer Ehe wirklich vorgeht, nicht wahr?« Er schüttelte betrübt den Kopf und trat in sein Büro. An den Wänden hing eine ganze Galerie atemberaubender Aufnahmen von Galaxien und Nebeln, die an vielfarbige Amöben erinnerten.
»Wow – der Pferdekopfnebel«, sagte Frost bewundernd, als er eines der Fotos betrachtete.
»Sie kennen sich aus am Nachthimmel, Detective.«
Jane sah ihren Partner an. »Du bist wirklich ein Trekkie.«
»Sag ich doch.« Frost trat vor ein anderes Foto. »Ich sehe hier Ihren Namen, Dr. Bartusek. Haben Sie die gemacht?«
»Sternenfotografie ist ein Hobby von mir. Man sollte meinen, wenn ich von morgens bis abends das Universum studiere, würde ich nach Hause gehen und Vögel oder Blumen fotografieren. Aber nein, mein Blick ist immer gen Himmel gerichtet. Das war schon immer so.« Er zwängte sich hinter seinen Schreibtisch und sank auf einen geräumigen Bürostuhl, dessen Federn unter seinem Gewicht ächzten. »Eine Macke, würden es manche nennen.«
»Gilt das für alle Raketenwissenschaftler?«, fragte Frost.
»Nun ja, streng genommen bin ich ja gar kein Raketenwissenschaftler. Das sind die Jungs, die die Lunten legen und das Zeug in die Luft jagen. Die würden Ihnen erzählen, dass sie die coolsten Jobs haben.«
»Und was ist Ihr Job?«
»Ich bin Astrophysiker. In diesem Gebäude legen wir den Schwerpunkt auf die Forschung. Meine Kollegen und ich formulieren eine wissenschaftliche Frage, und wir finden heraus, welche Art von Daten wir brauchen, um sie zu beantworten. Vielleicht wollen wir eine Staubprobe von einem vorüberziehenden Kometen, oder wir möchten einen Weitfeld-Infrarot-Überblick über den Himmel. Um an diese Daten zu kommen, müssen wir ein spezielles Teleskop in die Umlaufbahn bringen. An diesem Punkt wenden wir uns an die Raketenwissenschaftler, die uns helfen, dieses Teleskop ins All zu schießen und in Position zu bringen. Wir definieren den Zweck einer Mission, und die Raketenwissenschaftler entwickeln einen Plan für ihre Durchführung. Um ehrlich zu sein, wir sprechen nicht immer dieselbe Sprache. Diese Jungs sind Technikfreaks, und wir sind für sie Eierköpfe.«
»Zu welcher Kategorie gehörte Neil Yablonski?«, fragte Jane.
»Neil war ganz eindeutig ein Eierkopf. Er und sein Schwager Brian Temple waren die klügsten Köpfe hier in dem Laden. Vielleicht haben sie sich deshalb so gut verstanden. So gut, dass sie sogar eine Reise mit ihren Frauen nach Rom geplant haben. Dort hatten Neil und Olivia sich kennengelernt, und sie wollten wieder einmal die Orte aufsuchen, an denen ihre Romanze begonnen hatte.«
»Hört sich aber nicht allzu romantisch an, wenn man ein anderes Paar auf eine solche Reise mitnimmt.«
»Nicht irgendein anderes Paar. Wissen Sie, Lynn und Olivia waren Schwestern. Neil und Brian waren die besten Freunde. Und als dann Lynn und Brian heirateten, waren alle vier fortan unzertrennlich. Brian und Neil hatten sowieso in Rom zu tun, also dachten sie sich, warum nehmen wir nicht einfach unsere Frauen mit? Mann, Neil hat sich so auf diese Reise gefreut! Hat mich gequält mit seinem ständigen Gerede von Pasta, Pizza und Fritto misto!« Er sah auf seinen voluminösen Bauch hinab, der plötzlich ein Knurren von sich gab. »Ich glaube, ich nehme schon zu, wenn ich diese Wörter nur ausspreche.«
»Aber diese Reise nach Rom haben sie nie angetreten?«
Bartusek schüttelte bekümmert den Kopf. »Drei Wochen vor der geplanten Abreise sind Neil und Olivia zu ihrem Wochenendhäuschen an der Chesapeake Bay aufgebrochen. Neil hatte eine kleine Cessna, mit der er gern dorthin geflogen ist. Ihr Sohn Will musste ein Physikreferat vorbereiten, deshalb hatten sie ihn bei den Temples gelassen. Ein Glück für den Jungen, denn drei Minuten nach dem Start ging die Cessna in Flammen auf und stürzte ab. Das Wetter war ideal, und Neil war ein sehr umsichtiger Pilot. Wir gingen alle von einem technischen Defekt aus. Bis etwa eine Woche nach dem Unglück Detective Parris und das FBI hier auftauchten und eine Menge Fragen stellten. Da wurde uns klar, dass hinter dem Absturz mehr steckte, als wir geglaubt hatten. Parris hat es mir gegenüber
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