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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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von Vorsehung, Schicksal. Mir paßt das nicht. Die Alten, Werner, wo sie etwas nicht wissen, da muß es auf einmal Gott sein.«
    »Früher war jedes Gewitter Gott«, erwiderte Holt, »und die Cholera auch. Mein Vater hat gesagt, da war ich noch ganz klein: Gott ist ein Virus … Das Unerkannte ist Gott, Sepp, solange es unbekannt ist. Die Wissenschaft hat Gott schon den Mantel ausgezogen und wird ihm auch noch das Hemd ausziehen.«
    »Aber am Krieg soll er schuld sein!« sagte Gomulka. »Nein, das ist ja genauso primitiv wie der ›Weltjude‹, da kann sich auch jeder darunter vorstellen, was er will.« Er versank wieder in Nachdenken. »Bis man’s weiß, muß man sich an das Wenige halten, was eindeutig ist.«
    »An die Mühle?« sagte Holt leise.
    »Ja. Das genügt ja auch.« Gomulka hockte trübselig neben Holt auf einer Gartenbank. »Mein Vater«, sagte er noch, »der gibt sich alle Mühe. Aber ich komm so schwer darüber hinweg, daß die Alten uns das alles eingebrockt haben, und wir dürfen es auslöffeln!«
    »Und dürfen dran krepieren!« sagte Holt.
     
    Holt erhielt einen Brief von Wolzow. Wolzow saß, vom Arbeitsdienst entlassen, in der öden Villa und spielte mit Vetter Offiziersskat. Seine Mutter, schrieb er, sei nun endgültig in einer Irrenanstalt untergebracht, nachdem sie noch »für eine Offiziersfrau schandbare Dinge« getrieben habe … Der Rest der Klasse sei in die Winde verstreut. Für den 20. Oktober habe er nun die Einberufung zur Panzer-Ersatz- und Ausbildungsabteilung 26 erhalten, Vetter desgleichen. Auf dem Wehrbezirkskommando habe er erfahren, daß der gleiche Truppenteil auch auf Holt und Gomulka warte.
    Holt erkundigte sich bei der Lazarettverwaltung. Dort lagen schon für ihn und Gomulka die Gestellungsbefehle. In der letzten Oktoberwoche wurden sie entlassen. Die Abteilung hatte ihnen die alten Luftwaffenhelfer-Monturen nachgeschickt. Sie waren laut Entlassungsbefund »k. v. Ersatzreserve I« geblieben. Genesungsurlaub, wie sie erhofft hatten, gab es nicht. Mit einem Personenzug fuhren sie von Dresden ostwärts.
    Ein riesiges Kasernengelände nahm sie auf. Sie fragten sich durch ein halbes Dutzend Schreibstuben zur Stabskompanie durch. »Jetzt ist Mittag. Melden Sie sich nach zwei bei Leutnant Wehnert. Raus!« Auf einem Korridor kam ihnen Wolzow entgegen, groß, finster, im Drillich, ein gefülltes Kochgeschirr in der Hand.
    Er freute sich. »Ich hab bestens vorgesorgt. Dem Revetcki hab ich gesagt, wenn er die beste Korporalschaft haben will, dann muß er unbedingt für euch Platz halten. Hat er gemacht. Revetcki ist unser Unteroffizier. Ein Urvieh, halb Wildschwein, halb Kasperle. Der Peter Wiese ist auch hier, den haben sie k. v. geschrieben! Er hängt an allen Ecken und ist für die Ausbilder der Fußabstreicher. Vetter ist natürlich auch dabei. Sind die alten Krieger wieder schön beisammen!«
    Draußen heulte es: »Woooolzow!« – »Das ist er! Mal sehn, was er will. Bin wieder so eine Art Adjutant. Unser Zugführer heißt Wehnert, Leutnant, ganz junger Kerl, von der Napola, leidenschaftlicher Soldat. Mal sehn, was Revetcki will.«
    Holt sah sich in der Stube um und belegte eins der beiden leeren Betten. Von dem darunterliegenden Strohsack erhob sich einbaumlanger Mensch. »Stabsgefreiter Kindchen«, sagte er. »Könnt ›du‹ zu mir sagen. Bloß wenn ich mal dienstlich werden muß, dann lieber ›Sie‹. Bin hier Stubenältester. Außerdem Schießunteroffizier.« Er gab ihnen die Hand. »Ich hab ausgesorgt«, erzählte er in leicht sächsischer Mundart, »wunderbar steifes Knie, hält ewig, g. v. H. bis ans Ende dieser Welt! Bin seit achtunddreißig Soldat.« Er setzte sich wieder auf sein Bett, dabei mußte er den Rücken krumm machen, so groß war er. »Bin Fabrikbesitzer, ich mach feine Andenken, herrliche Sachen, kleine Schweine mit ›viel Glück‹ und Steirerbuam mit ›Gruß von der Bastei‹, auch Gartenzwerge. Unser Kommandeur, Major Reichert, diese Sau, der ist Vertreter! Paßt mal auf! Nach dem Krieg wird’s bei mir klingeln. Ich sitz grad beim Frühstück. Wird meine Frau sagen: »Fritzel, da ist ein Herr Reichert!« Nehm ich die Tasse. Trink. Gähn. ›Soll warten!‹ sag ich dann. Das wird herrlich!«
    Holt warf den Rucksack aufs Bett. Es geht weiter, dachte er.
     
    6
     
    Holt war Rekrut. Er nannte sich Panzerschütze. »Panzerschütze Holt!« Er sang, ein MG über der Schulter, mit rasselnden Stimmbändern: »Fern-bei-Se-dang! Auf-den-Höööö-hen!

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