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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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eines Unteroffiziers ließen ihn Haltung annehmen und brüllen: »Panzerschütze Holt meldet sich zum Dienst!« Der Unteroffizier hielt ein dünnes Rohrstöckchen in den gepflegten Händen. »Unteroffizier Revetcki«, sagte er und lächelte honigsüß. »Angenehm. Für mich! Ich bin Ihr Korporal.« Er deutete ringsum. »Beim Eintritt hier laßt alle Hoffnung fahren!« Er drehte das Stöckchen in den Händen. »Dies ist mein Korporalstock, bei mir wird noch geprügelt.« Dann nickte er wohlgefällig mit dem Kopf. Er ging zweimal im Kreis um Holt herum und klopfte dabei mit demRohrstöckchen an die Schäfte seiner Knobelbecher. »Ein schmucker Rekrut«, sagte er sanft, »ein hübscher Rekrut, ei, welche Augenweide!« Dann stand er wieder vor Holt, seine zerknitterten Gesichtszüge ordneten sich, er flüsterte mit einem drohenden Unterton: »Jetzt halten Sie mich doch nicht etwa für einen Urning?« Er schüttelte sich vor Ekel. »Für homosexuell?« – »Nein, Herr Unteroffizier!« brüllte Holt. Revetcki nickte. »O welches Glück, daß mich ein Menschenherz begreift!« deklamierte er mit hochgezogenen Brauen. Sein Gesicht war wieder wüst zerknittert. Mit dem Stöckchen deutete er auf Wolzow. »Der Wolzow weiß, daß ich heterosexuell bin. Er kennt meine Alte, diese Toppsau, die mir das Mark aussaugt!« Sein Gesicht verklärte sich.
    Holt glaubte zu träumen. Revetcki hüstelte. »Weitermachen!« Dann ging er zur Tür. »Wenn Sie mit Ihren Mistsachen die Stube verdrecken!« schrie er plötzlich, und flötete: »Darin bin ich komisch!«, und schrie: »Wenn ich nachher die Stube inspiziere und finde Staub, dann sehen Sie keine Betten mehr, dann sehen Sie keine Spinde mehr, dann sehen Sie keine Tische mehr, dann sehen Sie keine Stühle mehr, dann sehen Sie nur noch herumwirbelnde Hölzer!«
    Das war Revetcki. Er war nicht immer so harmlos. Er war tückisch: »Gomulka, Sie hinterlistiges Dreckstück, Ihre Gedanken möcht ich lesen, Ihre Maske möcht ich herunterreißen, das müßte mir Wollust sein, Sie zu entlarven, Sie verkappter Meuterer! Aber warten Sie, ich schreib Ihnen eine Beurteilung, daß Sie in der Strafkompanie enden!« Er war gemein: »Wiese, Muttersöhnchen, lasches Knäblein, puh, wann schreiben Sie an Ihre Mammi … aber ehrlich! So, heute Abend? Das werd ich Ihnen vermanschen!« Und am Abend nach Dienstschluß: »Wiese, den Brief an Ihr Mütterlein bekommen Sie nie fertig! Los, mein Drillich waschen!« Und, so unglaublich das war, er prügelte! Jemand gab beim Unterricht eine falsche Antwort, Revetcki tobte, plötzlich wurde er sanft. »Heute abend, mein Guter, da hol ich Sie zu einem kleinen Privatschliff, der Himmel erbarme sich Ihrer! Und wenn Ihnen das Bauchfell platzt!« Er stellte sich vor das eingeschüchterteOpfer und flötete: »Früher … lang ist’s her, in längst verschollnen Zeiten … da war es einfacher, da wurde körperlich gezüchtigt! Mir ist das verboten, da werde ich eingesperrt. Es sei denn, Sie bitten mich, daß ich Sie aus Barmherzigkeit und Spaß verdresche!« Meist hieß es sogleich: »Ich bitte darum, Herr Unteroffizier!« Revetcki schrie: »Sie haben es alle gehört! Er wünscht es, und es ist Spaß!« Dann hieb er mit der Gerte los, auf die Hände, ein böses Funkeln in den Augen, und sagte mit verzerrtem Mund: »Du willst es? Gut, dann hau dich dich mit meinem Stecken fürchterlich!«
    »Das glaubt uns später kein Mensch!« sagte Holt zu Gomulka. Gomulka nahm Holt beiseite. »Revetcki war erst Hilfsausbilder bei der Genesenenkompanie. Du weißt ja, die Leute aus den Lazaretten werden ganz schön geschliffen. Dort hat er einen alten Fronthasen zu Tode gehetzt. Der wollte sich krank melden, weil er vor Leibschmerzen kaum noch geradestehen konnte. Revetcki hat ihn deshalb durch den Zielgarten gejagt, bis er zusammenbrach. Aber da war die akute Blinddarmentzündung schon in die Bauchhöhle durchgebrochen, und die Operation kam bei diesen Ärzten hier viel zu spät. In der Genesenenkompanie hagelte es Beschwerden. Revetcki wurde zwangsversetzt. Nicht an die Front, nein, zu uns.« – »Woher weißt du so was?« fragte Holt. Gomulka wich aus. »Erkundige dich. Ich sage dir, er ist pervers, er ist ein Sadist. So was brauchen die hier.«
    Neben Revetcki sank das Zerrbild des Unterfeldmeisters Böhm samt allen Geschreis in der Erinnerung zu völliger Bedeutungslosigkeit herab. Neben Revetcki konnte sich Unteroffizier Boek, der zweite Gruppenführer, ein Theologiestudent, nur

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