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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Baracke lief der breite, schlackebestreute Weg entlang, an vier oder fünf weiteren Baracken vorbei, hinter denen sich das Stadion erhob. Rechts davon, im Norden, lag die Feuerstellung.
    Vom Wege führten Lattenroste zu den Geschützständen. Vor einem der grauen Erdwälle blieben Holt und Gomulka stehen. Die Erde war etwa zwei Meter hoch aufgeschüttet, der Eingang, sauber mit Brettern verschalt, im Zickzack durch den Wall geschnitten.
    Holt ging voran. Die Wände des Geschützstandes waren mit Balken abgesteift, der Boden mit Schlacke bestreut. Schwarzgähnte der Eingang eines Unterstandes. Die Kanone war mit einer erdfarbenen Persenning zugedeckt, und nur das schlanke Rohr und die Holme der Kreuzlafette schauten darunter hervor. An der Kanone stand ein großer, hagerer Bursche, der nicht viel älter als Holt sein mochte, gekleidet in eine schmucklose, graublaue Uniform ohne Spiegel und Schulterklappen. Am rechten Ohr trug er einen großen, mit dickem Gummiwulst abgedichteten Kopfhörer, um den Hals ein Kehlkopfmikrophon, dessen Schalter mit einer Klemme vorn an der Feldbluse befestigt war. Der Bursche ging einer unverständlichen Tätigkeit nach. Er lockerte die Plane, steckte ein Kabel in einen Kontakt, hob einen zweiten Kopfhörer an das freie Ohr, lauschte angestrengt, legte den Kopfhörer weg, und während er schon am Kehlkopfmikrophon schaltete, sagte er: »Anton … Zünder gut!« Dann stieg er über einen Holm, hob an einer anderen Stelle die Plane hoch, und das unverständliche Spiel wiederholte sich. »Anton … Seite gut!« Er nahm die blaue Schimütze ab, riß die Hörgarnitur und das Kehlkopfmikrophon herunter und hängte beides in den Unterstand. Dann sagte er, mit einem Blick auf Holt und Gomulka: »Na?«
    »Wir sind heut angekommen. Ich heiße Holt.« – »Oberhelfer Berger.« Der Fremde deutete eine Verbeugung an. »Schon länger dabei?« fragte Holt. – »Halbes Jahr.« – Holt kramte Zigaretten hervor. Sie rauchten. »Was hast du denn eben gemacht?« fragte Gomulka. – »Na, halt Leitungsprobe. Ewiger Mist. Jeden Tag dreimal, früh, mittags, abends.« – »Und sonst?« fragte Holt. »Wie ist es sonst?« – »Hier ist nichts los«, sagte Berger. »Ruhige Tour. Vormittags Schulunterricht, nachmittags Dienst.« – »Und schießen? Schießt ihr manchmal?« – »Schießen? Hierher hat sich höchstens mal ’n Aufklärer verirrt. Geschossen haben wir bloß in der Ausbildung, auf ’n Luftsack!«
    »Miese Aussicht«, sagte Holt. Aber da verzog Berger den Mund. »Ihr werdet die Schnauze noch früh genug vollkriegen«, sagte er. »Ihr bleibt doch nicht hier!«
    Holt wechselte einen Blick mit Gomulka. »Erzähl mal. Wo kommen wir denn hin?«
    »Ihr werdet hier ausgebildet, weil in dieser Gegend Ruheherrscht«, sagte Berger. »Ihr seid Batterie 107/III, wir sind 329/XII, mit uns habt ihr gar nichts zu tun. Eure Untergruppe liegt woanders.« – »Wo?« fragten Holt und Gomulka gleichzeitig. »Bisher in Hamburg. Dort ist eure Batterie angegriffen worden. Elf Tote, sechzehn Schwerverletzte.«
    Tote? Schwerverletzte? Holt sagte: »Vielleicht sind das bloß Gerüchte!« – »Da sind doch Leute hier, die euch ausbilden, ein Wachtmeister und drei Obergefreite. Frag sie doch!« Holt versuchte, sich Mut zuzusprechen. »Hamburg ist ja nun drangewesen. Da wird sich nicht mehr viel abspielen!«
    »Eben, eben!« sagte Berger, sog an seiner Zigarette und blickte spöttisch. »Deshalb werden die Batterien aufgefüllt und im Ruhrgebiet eingesetzt.« Holt bemerkte, daß seine Hand, in der er die Zigarette hielt, zu zittern begann. »Dort ist was los«, hörte er. »Köln und Essen hatten ja die ersten Nachtangriffe mit tausend Bombern … Da ist das ruhige Leben hier schon was wert«, meinte Berger noch, aber Holt sagte schnell: »Bange machen gilt nicht!« und: »Erst mal abwarten!« und: »Wer weiß, was kommt!« Berger lächelte. Gomulka fragte: »Wie kann denn eine Batterie solche Verluste haben?« – »Na, halt ’n Bombenteppich drüber … Da kannst du dir nachher deine Knochen zusammensuchen!« – »Nachts? War das ’n dummer Zufall?« – »Zufall?« rief Berger. »Gezielt war das! Meinst du, die da oben sind blind? Wenn die Spritzen losdonnern, mit ihren Mündungsbremsen, das siehst du bis zum Mond!« Er trat den Zigarettenstummel aus. »Warte noch«, sagte Holt. »Werden wir alle am Geschütz ausgebildet? Oder kommen auch welche ans … Fu-MG?« – »Funkmeßgerät, Kommandohilfsgerät, E-Messer«,

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