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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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undurchdringlich. Er hörte Utas Stimme: Es ist ja doch alles umsonst. Ihn fröstelte.
     
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    Holt stand angekleidet im Freien. Er liebte die Morgenstunde, die kurze Spanne Zeit vom fahlen Dämmerlicht bis zum Erwachen des Tages, wenn die ersten Drosseln schlugen und an den Gräsern funkelnd der Tau hing. Er dachte an Uta.
    Am vergangenen Abend hatte er einen Brief schreiben wollen, aber er war todmüde auf seinen Strohsack gesunken. Das frühe Morgenlicht hatte ihn geweckt. Zehn Kniebeugen, wie üblich, dann draußen am Wasserhahn gewaschen, angekleidet und Gomulka und Wolzow wachgerüttelt. Nun, da in der Baracke eine Klingel rasselte, trat Gomulka zu Holt. »Herrlich, so früh am Morgen! Drin raufen sie um die Waschschüsseln!«
    Holt pfiff ein Lied vor sich hin. »Und die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit.« Er dachte den Text mit. Auf einmal verstummte er. »Warum pfeifst du nicht weiter?« fragte Gomulka und zitierte den zweiten Vers: »… ›Neue Lande, neue Lande wollen wir uns gewinnen‹ … Ich hab zwar seit vorgestern keinen Wehrmachtbericht gehört …« – »Die Russen haben das ganze Donezbecken zurückerobert.« – »Und Sizilien ist endgültig hin«, brummte Gomulka.
    »Da ist der italienische Verrat dran schuld«, sagte Holt. Gomulka schwieg und scharrte mit einem Fuß in dem schwarzen Boden. Holt fühlte sich unbehaglich, und dieses Gefühl verstärkte sich, als Gomulka sagte: »Wenn man über die … Kapitulation Italiens nachdenkt, dann … ich weiß nicht, es ist ein böses Zeichen.« – »Man muß auch mal Rückschläge hinnehmen können«, erwiderte Holt. »Der Führer hat gesagt, ohne Italien sind wir stärker.« Gomulka nickte, stumm, nachdenklich.
    Holt dachte: Ich darf mich von diesen pessimistischen Stimmungen nicht beherrschen lassen, ich muß mich zusammennehmen.
     
    Sieben Uhr steckte ein Obergefreiter den Kopf durch die Tür. »Raustreten, a bisserl schnell, wann i bitten darf!« Draußen rief er: »Antreten, der Größ nach, kruzitürken! I bin der Obergfreite Schmüdling, i bitt mir aus, daß i als Ausbülder mit Herrangsprochen wer … was gibt’s da zu feixen? Schaun S’ net so, der Dritte im zwoaten Glied!« – »Ich hab nicht gelacht!« rief Nadler beleidigt. Schmiedling schrie: »I bitt mir halt Düszüplün aus!« Das Wort bereitete ihm Schwierigkeiten. »Herhörn! I les jetzt die Namen vor von denen, wo hier mit beisein müssen, und wanni so an Namen vorglesen hab, so ruft sich derjenige, dem sein Nam i vorglesen hab, der ruft Hier!, verstehen S’?« – »Jawohl, Herr Obergefreiter!« brüllte Holt wie die anderen. Der Obergefreite las die Namen vor, von Ebert bis Zemtzki. »So! Da fehlt sich nix und alles hat sei Ordnung. Jetzt wern S’ erst amol eingkleidt!«
    In der Kammer musterte ein übellauniger Unteroffizier Holt mit einem kurzen Blick, warf ihm drei lange, graue Unterhosen in die Arme, Unterhemden, Wäschestücke von kratzigem, hartem Gewebe, eine Turnhose, drei Paar wollene Socken. »Schuhgröße?« Schon flogen ihm ein Paar hohe schwarze Schnürschuh zu und ein paar Gamaschen aus Segeltuch. »Raus!« Im nächsten Raum gab es Drillichzeug, eine blaugraue Luftwaffenuniform ohne Spiegel und Schulterklappen, einen blaugrauen, zweireihigen Mantel, Schimütze, Stahlhelm, Koppel mit Schloß, Kochgeschirr, Butterdose aus gelbem Kunststoff, eine Garnitur blaugewürfelter Bettwäsche. »Raus! Worauf warten Sie noch?«
    Draußen maulte Wolzow: »Keine Ausgehuniform?« Schmiedling fuhr ihn an: »Meinen S’, Sie bekommen Ausgang, jetzt wo Sie während dem S’ in der Ausbüldung sind?« Er pflegte manchen Satz anders zu beenden, als er ihn begonnen hatte. »Worauf warten S’ denn?« Er rief ihnen nach: »Ziehen S’ Ihnen das Drüllüch wird zur Ausbüldung getragen, wann i bitten darf!«
    »Der ist halb so wild«, sagte Wolzow. »Ein Obergefreiter ist bei der Wehrmacht gar nichts. Bei uns denkt er, er kann angeben.« – »Ich glaub, er ist ganz gemütlich«, meinte Holt. Da brüllte es schon wieder: »Raustreten!«
    Zwei weitere Obergefreite stellten sich an den rechten Flügel. Als Gottesknecht bei den Baracken auftauchte, verdoppelte sich Schmiedlings Eifer, und sein faltiges Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung. »Ausbüldungskmando … stüllgstann! Zur Meldung an den Herrn Wachtmeister die Augen … links!« Er grüßteund meldete. »Danke, lassen Sie rühren!« Gottesknecht zeigte die Würde eines Generals. »In diesem denkwürdigen Augenblick

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