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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Schulterklappen zu deuten und antwortete: »Kirsch, Herr Feldwebel!«
    »Schade. Bei uns heißt der Feldwebel Wachtmeister. Also noch mal: Ihr Name?«
    »Kirsch, Herr Wachtmeister!«
    »Jammerschade! Taucher? Frauenarzt? Kalfaktor?«
    Wolzow wagte zu grinsen, und er grinste dem Vorgesetzten mitten ins Gesicht. Der zog ein wenig die Brauen hoch. Kirsch schrie, zum drittenmal: »Luftwaffenhelfer Kirsch, Herr Wachtmeister!«
    »Herrlich!« Der Vorgesetzte strahlte. Holt beobachtete ihn unablässig. »Richtig! Sie sind gut! Sie merk ich mir! Aber eine Eins gibt das nicht, weil’s erst beim drittenmal geklappt hat. Eine Zwei sollen Sie haben!« Er zog ein Notizbuch aus dem Waffenrock und notierte. Dann wandte er sich Wolzow zu. »Name?« – »Luftwaffenhelfer Wolzow, Herr Wachtmeister!« – »Beruf des Vaters, Wolzow?« – »Oberst, Herr Wachtmeister! Er ist …«
    »Au!« rief der Wachtmeister. »Das durfte nicht kommen, das will ich lieber nicht gehört haben! Sagen Sie schnell den Beruf Ihres Onkels, vielleicht paßt er besser!« – »Generalmajor, Herr Wachtmeister!« – »Grauenhaft!«
    Holt überlegte, was daran wohl so grauenhaft sein könne, und hörte den Wachtmeister betrübt sagen: »Jetzt muß ich Ihnen Nichtgenügend geben. Wissen Sie, warum?« – »Nein, Herr Wachtmeister!«
    »Diese Burschen« – er deutete auf die umstehenden Jungen – »behaupten sonst, ich ziehe Sie vor, weil Sie einen Onkel bei der Generalität haben!« Er schrieb wieder in sein Notizbuch. »Ich bedaure Sie, Wolzow! Sie werden’s bei mir sehr schwer haben!« Dann schob er das Notizbuch zwischen zwei Knöpfe seines Waffenrockes und schaute von einem zum anderen. »Ich bin Gottesknecht. Wachtmeister Gottesknecht. Ausbildungsleiter …« Das Gesicht blieb ernst und ungerührt. »Die mich kennen«, fuhr er fort, »die sagen, ich sei wirklich Gottes Knecht, aber wer hier groß angibt, der wird meinen, ich sei des Teufels.«
    Er schlenderte durch die Stube. »Ich brülle nie, aber ich verteile pausenlos Zensuren, von eins bis sechs, wie in der Schule. Wer fünfmal Eins hintereinander schafft, der bekommt Extraausgang. Kommt sehr selten vor.« Er blieb vor Holt stehen, musterte ihn und fragte: »Ihr Name?«
    »Luftwaffenhelfer Holt, Herr Wachtmeister!« Gottesknecht zog das Buch und notierte. »Beruf des Vaters?« – »Lebensmittelprüfer, Herr Wachtmeister«, sagte Holt vorsichtig. – »Enorm! Da müssen Sie mal den Harzer Käse hinschicken, den’s hier gibt, darin soll Gips sein, und … sonstwas, damit er besser stinkt.«
    Holt lachte los, Gomulka und Wolzow lachten gleichfalls, die anderen zogen verlegene Gesichter. Der Wachtmeister strahlte. »Wahrhaftig! Sie lachen über meinen Witz! Das bringt Ihnen Sehrgut!« Er fragte Gomulka nach dem Namen und notierte. »Bei mir darf gelacht werden. Aber wer falsch lacht, bekommt Mangelhaft. Wer gar nicht lacht, bekommt pausenlos Nichtgenügend wegen Feigheit! … Gomulka, Beruf des Vaters?«
    Gomulka sagte nach kurzem Zögern: »Gerichtsmitarbeiter,Herr Wachtmeister!« – »Richter?« fragte Gottesknecht mißtrauisch. »Nein, Herr Wachtmeister, Rechtsanwalt!« – »Da haben Sie aber Glück! Die Söhne der hohen Obrigkeit haben bei mir nichts zu lachen!« Er ging zur Tür. »Zwei Mann mitkommen. Besen holen, Decken holen. Revierreinigen, dann Feierabend.« Rutscher und Branzner folgten ihm.
    Holt sagte zu Gomulka: »Sag bloß … Was hältst du von dem?« – »Alles Theater, alles Mache«, antwortete Wolzow. »Der ist ganz anders! Der ist eiskalt!«
     
    Die Stube war sauber aufgeräumt, als endlich Nadler mit seinen Leuten in den Korridor polterte. Er zog ein verbittertes, gekränktes Gesicht und trug keine Führerschnur mehr. Wolzow wies ihm die gegenüberliegende Stube an. »Das war ganz unkameradschaftlich, daß ihr uns nicht mitgenommen habt«, klagte Nadler. »Wer sich von der Hauptmacht absondert, hat immer mit bösen Folgen zu rechnen«, erklärte Wolzow. Der semmelblonde Kattner knallte Nadler die Tür vor der Nase zu. »Die Heinis«, erzählte Rutscher, »sind Gottesknecht in die Arme gerannt. Er hat ihnen allen Mangelhaft gegeben, weil sie später gekommen sind a-a-als wir! Der Nadler hat Nichtgenügend, weil ein Luftwaffenhelfer keine F-f-führerschnur tragen darf.«
    Holt winkte Gomulka nach draußen. Vor der Baracke sah er sich vorsichtig um. Die Sonne war am Versinken und stand als große, blutrote Scheibe in einer Dunstschicht über den Hügeln. Unmittelbar vor der

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