Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
für einen Kurzurlaub. Janine und Teun heißen meine Gastgeber, wahnsinnig gastfreundlich. Mein Ferienappartement für die kommende Nacht ist normal für mehrere Personen ausgelegt und weit über dem Jakobswegstandard. Aber das lasse ich mir natürlich gern gefallen. Janine und Teun verwöhnen mich nach Strich und Faden! Sie brachten Bier, Rotwein, ein tolles Essen, und sogar ihr Telefon durfte ich benutzen, um Wiebke anzurufen. Während wir telefonierten, konnte sie sich im Internet anschauen, wo ich mich gerade befinde. Ihre Beschreibung der Bilder traf genau auf meine Zimmer zu. Als ich ans Fenster trat, winkte ich Wiebke zu, aber das konnte sie leider nicht sehen, war eben nicht live auf Sendung! Wiebke geht’s wieder
besser, sie hat ihre Tief-Phase überwunden. Das freut mich sehr!
Auf meiner Wohlfühlcouch mache ich es mir nun für den Rest des Abends gemütlich. Ideal, um meine Eindrücke von Périgeux und deren Nachwirkungen noch einmal zu verarbeiten.
Ich hätte im Übrigen auf dem Grundstück auch umsonst nächtigen können. Für Pilger hat Teun eine einfache Holzhütte mit zwei Pritschen und ohne jeden Komfort im Garten stehen, die er kostenlos zur Verfügung stellt. Unter anderen Umständen sogar romantisch und absolut pilgergerecht, wäre es bei dem heutigen Wetter masochistisch gewesen, freiwillig darin zu „wohnen“. Dann lieber Weichei und noch ein leckeres Gläschen Rotwein trinken. Wenn ein Tag so ausklingt, gibt es wahrlich nichts zu meckern!
Mein Vorsatz nach dieser Etappe: Öfter mal in den Spiegel schauen! Hilft mehr als dass es schadet - und muss gar nicht wehtun.
Der Weg
Tag 48, Douzillac – Port-Sainte-Foy-et-Ponchapt 43 km
Erst um 8 Uhr endete die Nacht für mich. So spät wollte ich eigentlich gar nicht aufstehen, schließlich hatte ich mir ein strammes Tagespensum vorgenommen. Da ich mich dazu nach dem Frühstück mit Janine und Teun verquatschte, kam ich erst um 9:30 Uhr auf die Piste. Einen Besuch der niedlichen Dorfkirche ließ ich mir trotzdem nicht nehmen. Durch einen Wald gelangte ich nach Sourzac, wo ich mit ansehen musste, wie ein paar Jäger reihenweise Vögel abknallten. Warum können die nicht auf Tontauben schießen, wenn sie unbedingt ihrem Spieltrieb nachgehen wollen? Schade, dass ich die Vögel nicht warnen konnte. Es tat mir weh, wie achtlos die getöteten Tiere auf einen Haufen geworfen wurden, so, als ob man einen Gegenstand auf den Müll wirft.
Im Anschluss daran wurde es erfreulicher. Darauf vertrauend, dass es heute trocken bleiben würde, entschied ich mich wieder für die Pfade der Natur. Keine Straßen heute! Ich bereute es nicht, sog die vielfältigen Eindrücke, die ich geboten bekam, gierig auf. Es ging durch Wälder, über Felder, Wiesen und zunehmend häufiger die Weinberge des Périgord. Ich sah kaum eine Menschenseele, selbst die kurzen Abschnitte entlang schmaler Straßen blieben fast ohne Begegnung mit einem Auto. Das Wetter meinte es den ganzen Tag gut. Zwar ließ sich die Sonne nur ganz vereinzelt blicken, aber es regnete nicht und die Luft war klar. Immer wieder kam ich an wunderschönen alten und uralten Häusern vorbei, ich verkniff mir aber einen erneuten Vergleich zu Deutschland. Ist nun mal alles Geschmacksache.
Vor Fraisse überholte mich dann doch mal ein Auto, und dessen Fahrer, ein älterer Herr, wollte mich gleich mitnehmen. Ich lehnte dankend ab. Seine Klapperkiste hatte schon bessere Zeiten gesehen, erstaunlich, dass sie noch fährt. Als ich den Mann in Fraisse wiedersah, winkte er mir freundlich zu. Ich machte in dem Ort die einzige Pause des Tages und verschlang meine letzten Müsliriegel.
Auf den letzten 15 km forderten mich ein paar knackige Anstiege. Dafür wurde ich mit schönen Aussichten belohnt, wenn ich oben war. Als Folge dieser Anstrengungen merkte ich heute das erste Mal seit längerem wieder meine Beine. Die letzten Kilometer gingen an die Substanz und ließen mich das Ziel herbeisehnen. Als ich hinter einem Weinberg die Dordogne (den Fluss) sah, hatte ich es fast geschafft. Ein Stück am Ufer entlang und danach durch eine Wohnsiedlung erreichte ich erschöpft die private Pilgerherberge. Den Namen des Ortes noch einmal aufzuschreiben, spare ich mir, ich kann ihn ja kaum gescheit aussprechen.
In der Pilgerherberge, die in einem größeren Gartenhaus untergebracht ist, stand die Tür auf, aber es war niemand da. Auch im nebenstehenden Hauptgebäude
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