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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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sich eine kleine Pilgerherberge... .
     
    Es war gut so wie es war, ganz sicher sogar! Eine Weile beobachtete ich noch die Menschen, lauschte ihren lebhaften Gesprächen, von denen ich natürlich nichts verstand und rappelte mich dann wieder auf, um das zu tun, wozu ich gerade in Frankreich bin – gehen! Es ist zwar kein Wunder, aber trotzdem überraschte es mich, wie schnell ich meinen Laufrhythmus fand. Es ging nun wie von allein, alle Zipperlein vom Vormittag waren wie weggeblasen. Ja, ja, ein bisschen Kaffee und ein paar schnell verwertbare Kohlehydrate – und schon läuft es. So einfach ist der Körper also manchmal gestrickt. Sofort machte das Pilgern wieder Spaß, zumal der Weg ein wunderschöner war. Auf einem rund 7 km langen geteerten Radweg, der überwiegend als Allee angelegt ist, bekam ich all die Genüsse beschert, der ich mich
    vorher noch selbst beraubt hatte. Aber das war verges sen, das „Jetzt“ zählte. Voller Tatendrang spielte ich sogar mit dem Gedanken, Mont-de-Marsan nur als Zwischenstation zu durchqueren. Schnell holte ich mich aber wieder runter auf den Boden, bloß nichts überstrapazieren!! Ein bisschen was hat mich der Camino schließlich gelehrt! Außer mir erfreuten sich nur ganz vereinzelt ein paar Radfahrer an Natur und schönem Wetter, vielleicht tummelten sich alle übrigen Menschen auf dem Flugtag, der übrigens in Mont-de-Marsan stattfand, das konnte ich inzwischen zweifelsfrei erkennen. Nach einer guten Stunde erreichte ich die ersten Ausläufer der 30.000 Einwohner-Stadt. Schicke Wohnsiedlungen mit Swimmingpools in vielen Gärten deuteten auf gehobenes Wohnen hin. Palmen ließen erahnen, dass hier das Wetter normalerweise häufiger so schön ist wie heute. Da mein Weg etwas oberhalb der Stadt verlief, hatte ich einen prima Blick auf die Flugschau, Loge zum Nulltarif sozusagen und ohne steifen Nacken danach. Ich ließ mich auf eine grasbewachsene
    Böschung fallen und schaute fasziniert den waghalsigen Manövern einer Düsenjetstaffel zu. Seit Ramstein sind solche lebensgefährlichen Darbietungen bei uns richtigerweise verboten. Beeindruckend war es trotzdem. Alle Anwohner, die dem Flugtag nichts abgewinnen konnten, werden froh gewesen sein, als das Spektakel am Abend vorbei war. Der Lärm war wirklich ohrenbetäubend, ja, infernal. Auf Ohropax verzichtete ich nur deshalb, weil ich zu faul war, in den Tiefen meines Rucksacks danach zu suchen.
     
    Eine ältere Dame, die mit ihrer Enkelin (wie ich vermutete) einen Spaziergang machte, erkannte mich durch die Muschel an meinem Rucksack als Jakobuspilger. Natürlich verstand ich nicht viel von dem, was sie sagte, aber ihre Zeichen waren deutlich. Sie bat mich, ihr zu folgen. Ich sah keinen Grund, warum ich das nicht hätte tun sollen, die Dame war sehr freundlich. Sie führte mich zu ihrem Haus ganz in der Nähe und rief eilig ihren Mann herbei. Ich verstand u. a. die Worte „Pelerin St. Jacques“ und „Compostelle“. Die Tatsache, dass ich ein Pilger bin, schien das große Interesse an meiner Person zu begründen. Da auch der englisch sprechende Sohn im Hause war, kam dank seiner Dolmetschertätigkeit ein flüssiges Gespräch in Gang. Ich war in einer echten Pilgerfamilie gelandet. Das Ehepaar war selbst schon in Santiago und insbesondere der Mann pilgert trotz seiner inzwischen fast 80 Jahre auch heute noch jedes Jahr ein paar hundert Kilometer auf verschiedenen Routen des Chemin St. Jacques. Stolz präsentierte er mir seine vielen Pilgerpässe und andere Erinnerungsstücke. Er wollte von mir wissen, wie ich mit den Wegmarkierungen bisher zufrieden bin. Ich erzählte ihm wahrheitsgemäß von teils unzureichender bzw. sogar komplett fehlender Beschilderung, erwähnte aber auch, dass es zuletzt immer besser geworden ist, am heutigen Tag zum Beispiel nahezu perfekt. Damit hatte ich bei ihm ins Schwarze getroffen. Bis über beide Ohren strahlte er mich an und ließ mich wissen, dass er als Mitglied einer örtlichen Jakobusgesellschaft verantwortlich für die Markierungen in diesem Bezirk ist. Ein schöneres Kompliment hätte ich ihm da kaum machen können. Ganz und gar nicht gut zu sprechen ist er als Pilger aus Leidenschaft auf die vielen Gesellschaften, die es mit der Kennzeichnung der Wege nicht so genau nehmen. Da es keine verbindlichen Vorschriften gibt, ergeben sich die teils frappierenden Unterschiede bei der Wegkennzeichnung.
     
    Während wir uns bestens unterhielten, servierte die Dame des Hauses Kaffee und Kuchen.

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