Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
vielen Geschichten über wilde Hunde in Spanien auf sich hat.
Zur kleinen Einstimmung auf die Pyrenäen führte mich der Weg am Nachmittag weiter auf und ab. Langsam eröffneten sich wieder gute Fernsichten, blühende Frühlingswiesen, wildwüchsige Wälder und blauer Himmel erfreuten meine Augen – Frankreich zeigte mir noch mal sein schönstes Gesicht. Das Gehen selbst ist längst Teil eines Automatismus, den ich nicht mehr steuern muss. Auf einer der letzten Anhöhen vor Orthez sah ich einen anderen Pilger vor mir, der wartete, als er mich bemerkte. Henry ist ein 44-jähriger Belgier, zuhause in Beveren gestartet und ebenfalls auf dem Weg nach Santiago. Er spricht gut Deutsch, ohne Anlaufzeit waren wir direkt in einer angeregten Unterhaltung. Ein dufter Typ, war mein erster Eindruck. Er schreibt für seine Heimatzeitung über die Erfahrungen auf dem Weg und muss daher alle paar Tage eine Pause einlegen, um per Internet seinen Bericht zu verschicken. Einerseits hat er es so gewollt, andererseits stört ihn die ständige Verpflichtung. Bis zur Grenze wird er das noch so beibehalten, den Camino Frances in Spanien wird er jedoch ganz für sich allein gehen, ohne weitere Berichte zu schreiben. Henry hat vor dem Start zum Jakobsweg seine gut gehende Firma verkauft und weiß gegenwärtig noch nicht genau, was er anschließend machen wird. Er liebäugelt mit ein paar Ideen und hofft noch auf den einen oder anderen Fingerzeig.
Über eine steile Straße erreichten wir die Ortsmitte von Orthez wo auch unsere Pilgerherberge liegt. Es ist ein historisches Gebäude, in einem Hinterhof gelegen. Das Hôtel de la Lune diente in früheren Zeiten lange als Herrschaftssitz. Der alte Charakter ist wunderbar erhalten geblieben, trotzdem bietet es für den Anspruch des Pilgers höchsten Komfort. Aus dem Küchenfenster hat man einen schönen Blick über die alten Dächer von Orthez. Genau so wird es schon vor über 100 Jahren ausgesehen haben. Außer uns sind 2 ältere Franzosen in der Herberge, die morgen ihren ersten Pilgertag haben und ohne festgelegten Zielort 14 Tage unterwegs sein werden.
Es gibt Städte, die lachen einen sofort an, Orthez gehört definitiv dazu. Präsentiert sie sich äußerlich in mittelalterlichem Gewand mit vielen Sehenswürdigkeiten, geben ihr die vielen jungen Bewohner eine moderne und lebendige Note. Auffälligstes Bauwerk ist Le Pont Vieux, eine Brücke aus dem 13. Jahrhundert mit einem markanten Mittelturm. Eine wirklich tolle Station so kurz vor meinem Abschied aus Frankreich. Auf einem ausgedehnten Stadtbummel ließ ich mich von der besonderen Atmosphäre dieser Stadt gerne vereinnahmen.
Versteht sich von selbst, dass wir bei der perfekt eingerichteten Küche selbst für unser Abendessen gesorgt haben. Da jeder von uns vieren mit anpackte, war unser Menü schnell zubereitet. Die Unterhaltung schwankte zwischen deutsch und französisch. Henry war da eindeutig im Vorteil, er versteht beide Sprachen. Während die Franzosen Rotwein tranken, pfiffen Henry und ich uns ein paar Dosen Bier rein. Kein Kennerbräu, aber erfrischend.
Es ist ein richtig lauer Sommerabend, den ich mir mit einem spätabendlichen Spaziergang durch die Stadt soeben versüßt habe. Kaum noch ein Auto war auf den Straßen unterwegs, die Wolken haben sich vollständig verzogen. Ich sog das herrliche Ambiente im Dämmerlicht förmlich in mir auf. Nun, zurück im Quartier, ist es dunkel. Henry ist damit beschäftigt, ausführliche Notizen für seinen Reisebericht zu machen, während die Franzosen bereits die Liegendposition gewählt haben, um morgen früh ausgeruht ihr Pilgerabenteuer zu beginnen.
Die Pyrenäen sind hier greifbar nah, konnte sie heute bei klarer Sicht erstmals gut erkennen. Noch 2 Tage, dann habe ich sie erreicht... .
Ein wohltuendes Gefühl von innerer Zufriedenheit erfüllt mich gerade, damit wird es sich gut schlafen lassen.
Die wunderbare Pilgerherberge von Orthez
Tag 56, Orthez – Saint Palais 40 km
Das Beständige am Wetter ist gegenwärtig das Unb eständige. Voll auf strahlenden Sonnenschein programmiert, empfing uns der Tag mit Nieselregen, der rechtzeitig aufhörte, als ich mich auf den Weg machte. Henry blieb noch bis zum Nachmittag, da er zunächst ein paar Stunden im Internet-Café verbringen wollte. Schade, seine Gesellschaft hätte ich gut und gerne noch ein paar Abende „ausgehalten“. So denke ich nicht, dass wir uns auf der Strecke noch mal
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