Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Jakobusgesellschaften ist. Manche sind besonders pilgerfreundlich, bringen alle paar hundert Meter ein Zeichen an, während man an anderen Abschnitten völlig allein gelassen wird. Den Verantwortlichen scheinen die Pilger piepegal zu sein. Ich befinde mich inzwischen, die Schilder zeigen es an, im Baskenland, dort wo man die berühmte Kopfbedeckung trägt. Ein besonders stolzes Volk, heißt es. Wahrscheinlich zu stolz, um für gute Markierungen zu sorgen. Hm, nicht nett von mir, so etwas zu behaupten! Sei’s drum. In Spanien wird mich diesbezüglich sicher eine perfekte Infrastruktur erwarten.
Am späten Nachmittag erreichte ich endlich Saint-Palais. Dort war erst einmal kräftig
d urchatmen angesagt! Nun galt es nur noch, die Pilgerherberge zu finden und dann den heute wohlverdienten Feierabend zu genießen. Ich glaube, 1.200 Höhenmeter habe ich heute locker überwunden. Mein Quartier entpuppte sich als Franziskanerkloster. Wunderbar, entfuhr es mir! Ich war sicher, hier die Ruhe und Entspannung zu finden, um morgen mit frischen Kräften und voller Tatendrang zum Fuße der Pyrenäen zu marschieren. Außerdem genau das Richtige für die letzte Nacht, bevor der Weg voll wird… .
Die Dusche war heute ein besonderer Genuss. Alle Strapazen des Tages schienen fortgespült, ich fühlte mich frisch und gestärkt, einkaufen zu gehen. Währenddessen kam ich mit ein paar Passanten ins Gespräch. Ein älterer französischer Herr lobte mich für meine guten Französisch-Kenntnisse. Welch ein höflicher Mensch, ich wusste, dass er flunkerte, aber er honorierte meine Bemühungen.
In der Küche, beim Essen zubereiten, stellte ich fest, dass über ein halbes Dutzend weiterer Pilger ihr Quartier im Kloster bezogen haben. Ich hörte nur die französische und italienische Sprache. Die Grüppchen waren in ihre Gespräche vertieft, nur am Rande wurde ich einbezogen. Störte mich aber nicht weiter, ich war damit beschäftigt, mein wieder einmal ausgeprägtes Hungergefühl mit einem halben Kilo Nudeln, fettiger Soße und einer Tüte geriebenem Käse aktiv zu bekämpfen. Nicht nur ich wundere mich, was ich manchmal so alles in mich reinschaufeln kann, obwohl, ich habe halt einen massigen Balg! Die Blicke der anderen Pilger sprachen jedenfalls Bände. Egal, irgendwo muss meine Kraft und die gute Regenerationsfähigkeit ja herkommen. Nur mit gutem Willen und viel Motivation ist der Weg nun mal nicht zu schaffen.
Beim Gang durch das Kloster mit seinem nett bepflanzten Innenhof sah ich, dass hier kein Mönch mehr zuhause ist. Die Räume unterhalb der Wohnebene sind verlassen, Staub bedeckt zentimeterdick die verbliebenen Möbel und Fußböden, in der ehemaligen Bibliothek riecht es nach modrigem Holz, einige alte Bücher liegen verstreut auf dem Boden, Spinnweben ziehen sich durch alle Zimmer. In der Kirche stehen noch die Sitzbänke. Die beiden übrig gebliebenen Mönchs-Statuen erwecken den Eindruck, als hätte man sie bei der Räumung vergessen. Alles wirkt etwas gespenstisch – und doch hat der Ort immer noch etwas Friedliches, Beruhigendes. Es ist, als wehe der gute Geist des Ordens auch weiterhin durch die Gemäuer.
Vielleicht hat diese Wahrnehmung ja auch nur mit meiner totalen Tiefenentspannung zu tun. Ich ruhe derzeit in mir selbst, habe nicht das Gefühl, dass mich etwas aus der Fassung bringen kann. Manchmal zwicke ich mich, um sicherzustellen, dass ich alles real erlebe und nicht nur träume. Es fällt schwer zu begreifen, wie viele Höhepunkte mir das Leben gerade bietet. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn ich den Camino nicht in Angriff genommen hätte. Der Gedanke, dass ich so weiter gemacht hätte wie bisher, lässt mich beinahe erschaudern. Nein, es war wahrlich nicht alles schlecht, aber es war Zeit, einen neuen Weg einzuschlagen, diesen Weg! Auch Geld konnte meine Entscheidung zum Schluss nicht mehr beeinflussen, gut so!
Mit dieser schönen Erkenntnis beschließe ich diesen anstrengenden und doch so beglückenden Tag, lösche gleich das Licht meiner schlichten Stube und halte als Fazit fest: Härtetest bestanden – die Pyrenäen können kommen!
Le Pont Vieux in Orthez
Tag 57, Saint Palais - Huntto 36 km
Das Schuhregal war fast vollständig leer, als ich a ufbrach. Für meine Verhältnisse war ich richtig früh dran, 7:30 Uhr. Werde mich wohl ab sofort an noch frühere Startzeiten gewöhnen müssen. Trotz Frühnebel zeichnete sich ab, dass es
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