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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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ein schöner Tag werden würde. Bereits nach kurzer Wanderung erreichte ich die Stele von Gibraltar, die im Stile eines baskischen Grabsteins errichtet ist. Hier treffen 3 französische Jakobswege zusammen, und zwar der aus Le Puy-en-Velay, der aus Tour und eben „meiner“ aus Vézelay. Der Name Gibraltar leitet sich aus der alten baskischen Aussprache von Salvatorem ab: Chibaltarem. Ich bin dankbar für diesen Hinweis in meinem Reiseführer, da ich sonst wahrscheinlich einigermaßen verwirrt weitergegangen wäre. Gibraltar ist für mich immer das im äußersten Süden Spaniens gelegene Stück Land gewesen, dort wo sich Europa und Afrika, nur durch die gleichnamige Straße getrennt, am nächsten kommen. Ich hätte mir die Frage gestellt, wieso hier im französisch-spanischen Grenzgebiet am Rande der Pyrenäen etwas auf Gibraltar hinweist. Alles ist gut, ich brauche nicht zu grübeln. Das Eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Gibraltar bleibt dort, wo es schon immer war.
     
    Vom hiesigen Denkmal sah ich bereits auf das alpiner werdende Gelände. Die sich verziehenden Nebelschwaden gaben mehr und mehr den Blick auf steile Berghänge frei. Damit wurde es aber auch gleich schweißtreibender für mich, denn nun wartete der erste Anstieg. Auf dem breiten Schotterweg sah ich rund ein Dutzend weiterer Pilger (oder Tageswanderer) vor mir, die sich mühsam in Richtung „Gipfel“ hinaufarbeiteten. Schon hier wuchs das Pilgeraufkommen rasant. Das ließ mich für Saint-Jean-Pied-de-Port einiges befürchten.
     
    Mit meinem deutlich schnelleren Schritt hatte ich bereits oben auf dem „Berg“ die ganze Karawane hinter mir gelassen und durfte mich an der malerischen Vorgebirgslandschaft erfreuen. Die Sonne lachte, kein Wölkchen trübte mehr den Himmel und es war erstaunlich warm, plötzlich war der Sommer da! Die an den Hängen grasenden Viehherden durften sich ohne einen begrenzenden Zaun bewegen. So kam es vor, dass die eine oder andere Kuh den Weg für sich beanspruchte. Mit jedem zurückgelegten Kilometer wurden die Aussichten schöner und die Pyrenäen immer größer und höher. Jeder Schweißtropfen war es wert, dass er an mir herunter lief. Mit Ostabat-Asme durchquerte ich ein ehemals bedeutendes Pilgerzentrum. Heute ist es nur noch ein winziges verschlafenes Nest in reizvoller Umgebung. Immer öfter traf ich nun auf andere Pilger, ich hörte auf, sie zu zählen. Nur einer fiel mir auf, da er sein Gepäck durch einen Esel tragen ließ – ein witziges Bild. Das Laufen in dieser durchweg schönen Kulisse war purer Genuss, die zahlreichen Bergdörfer schmiegten sich harmonisch in das Gesamtbild ein. Ruhe – hier hatte ich sie! Ein letztes Mal? Öfters als sonst hielt ich unterwegs an und ließ mich ins Gras fallen, um den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Die Berglandschaft schenkte mir ein wunderbares Gefühl von grenzenloser Freiheit, ähnlich wie das Meer es auch zu tun vermag. Sehnsüchte wurden geweckt, dass dieses Gefühl von Freiheit niemals enden mag. Die Welt war sooo weit weg, ich versank in einem meditativen Taumel.
     
    In Saint-Jean-Pied-de-Port war es damit erwartungsgemäß vorbei. Vor der Stadtmauer kam mir eine Bimmelbahn entgegen, voll mit knipsenden und gaffenden Touristen. Es ging also noch verschärfter zu, als ich das vermutet hatte. Am berühmten Jakobustor, dem Eingang in die Stadt waren es Heerscharen, die sich den Weg bahnten. Ich musste mich anstellen, um hindurchzukommen. Das Touristenaufkommen erinnerte mich fast an Rothenburg ob der Tauber. Es war wie ein Schock, ich fühlte mich als Fremdkörper im lebhaften Gewusel der engen Gassen. Hier konnte und wollte ich nicht bleiben. Gleichwohl kann ich das große Interesse der Leute an diesem kleinen Städtchen, von dessen Existenz ich die meiste Zeit meines Lebens nichts wusste, sehr gut nachvollziehen. Es ist einfach wunderhübsch anzusehen – aber auch gnadenlos vermarktet. Ohne die Bedeutung als Ausgangsort des spanischen Jakobswegs würde Saint-Jean-Pied-de-Port wahrscheinlich ein Mauerblümchendasein fristen.
     
    Natürlich sah ich eine Menge Pilger, die meisten in nagelneuer Ausrüstung. Viele blickten fragend umher, versuchten sich zu orientieren. Sie waren sicher erst heute oder gestern angekommen und trugen neben ihrem Rucksack bestimmt eine Menge Unsicherheit mit sich herum. Ich konnte mich sofort in sie hineinversetzen. Ein deutsches Ehepaar war besonders ängstlich, suchte das Pilgerbüro, hatte Sorge, dass das Wetter in

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